Mit dir an meiner Seite
Drei und Jonah eine Pik Neun. Vor jedem lag ein Haufen Münzen, und in dem Topf in der Mitte befanden sich so viele Fünf- und Zehncentstücke, dass er fast überquoll.
»Ihr lügt beide«, sagte Jonah. »Ihr wisst beide nicht, wie man die Wahrheit sagt.«
Will schaute Jonah mit seinem Pokergesicht an und nahm eine Münze von seinem Turm. »Dieser Vierteldollar sagt: Du weißt nicht, wovon du redest.«
Ronnies Vater schüttelte den Kopf. »Schlechte Entscheidung, junger Mann. Es ist vorbei. Ich erhöhe auf fünfzig Cent.«
»Das will ich sehen!«, rief Ronnie. Jonah und Will zogen sofort nach.
Schweigend und misstrauisch beäugten sie sich gegenseitig, ehe sie ihre Karten auf den Tisch legten. Und wieder hatten sie alle gegen Jonah verloren.
»Ihr seid schlechte Lügner!«, rief ihr kleiner Bruder. Er hatte doppelt so viel kassiert wie die anderen drei. Lächelnd schaute Ronnie zu, wie er die Münzen einstrich. Der Abend war bisher sehr angenehm verlaufen, fand sie. Sie hatte ja selbst nicht gewusst, was sie erwarten würde, als sie Will einlud. Es war schließlich das erste Mal, dass sie ihrem Vater einen ihrer Freunde vorstellte. Würde sich Dad in der Küche verkriechen, um nicht zu stören? Oder würde er sich wie Wills Kumpel aufführen? Würde er irgendetwas tun oder sagen, was sie in Verlegenheit brachte? Auf der Fahrt nach Hause hatte sie schon angefangen, Fluchtpläne zu schmieden, die sie notfalls nach dem Essen in die Tat umsetzen konnte.
Aber als sie das Haus betraten, hatte sie gleich ein gutes Gefühl gehabt. Erstens war alles wunderbar aufgeräumt. Und Jonah hatte von Dad offensichtlich die Anweisung bekommen, nicht immer an ihnen zu kleben und Will nicht ins Kreuzverhör zu nehmen wie ein Staatsanwalt. Ihr Vater begrüßte Will mit Handschlag und mit einem entspannten »Schön, dass wir uns kennenlernen«. Und Will benahm sich sowieso vorbildlich, antwortete auf Fragen mit einem höflichen »Ja, Sir« oder »Nein, Sir«, was Ronnie sehr charmant fand - wie man es in den Südstaaten erwartete. Während des Abendessens verlief die Unterhaltung absolut unproblematisch, Dad stellte ein paar Fragen zu Wills Arbeit in der Werkstatt und im Aquarium, und Jonah legte sich sogar die Serviette auf den Schoß.
Das Beste war aber, dass ihr Vater überhaupt nichts Peinliches sagte. Er erzählte zwar, dass er an der Juilliard School unterrichtet hatte, erwähnte aber nicht, dass er auch Ronnie Unterricht gegeben hatte und dass sie einmal in der Carnegie Hall aufgetreten war. Er sprach nicht von ihren gemeinsamen Kompositionen - oder davon, dass er bis vor ein paar Tagen wenig Kontakt mit Ronnie gehabt hatte. Als Jonah nach den Keksen fragte, sobald die Teller leer waren, mussten Ronnie und ihr Vater lachen, und Will wollte natürlich wissen, was daran so lustig war. Gemeinsam räumten sie zu viert den Tisch ab, und als Jonah vorschlug, sie könnten doch Lügenpoker spielen, war Will sofort begeistert.
Mit Will wäre sicher auch Ronnies Mutter einverstanden gewesen. Jemanden wie ihn hatte sie sich immer vorgestellt: höflich, respektvoll, intelligent und vor allem ohne Tattoos ... Schade, dass Mom nicht dabei war. Sie hätte endlich sehen können, dass ihre Tochter nicht völlig abgedriftet war. Andererseits wäre Mom wahrscheinlich so entzückt gewesen, dass sie versucht hätte, Will auf der Stelle zu adoptieren. Oder sie hätte hinterher, nachdem sich Will verabschiedet hatte, Ronnie hunderttausendmal vorgeschwärmt, was für ein netter junger Mann er doch sei. Und das hätte dann wieder bei Ronnie den Impuls ausgelöst, die Sache sofort zu beenden, ehe ihre Mutter vollkommen durchdrehte. Dad verhielt sich da ganz anders - er vertraute Ronnies Urteilsvermögen und ließ sie ihre eigenen Entscheidungen treffen, ohne sich groß einzumischen.
Eigentlich seltsam - wenn man sich überlegte, dass er sie gerade erst wieder neu kennenlernte. Und gleichzeitig war es auch traurig - Ronnie dachte immer öfter, dass sie einen riesigen Fehler begangen hatte, als sie ihm in den letzten drei Jahren aus dem Weg gegangen war. Bestimmt hätte es ihr gutgetan, mit ihm zu reden, wenn ihre Mutter sie nervte.
Alles in allem war sie froh, dass sie Will eingeladen hatte. Die Situation mit ihrem Vater war viel unkomplizierter als Ronnies Begegnung mit Susan. Diese Frau machte ihr höllische Angst. Gut - das war vielleicht übertrieben, aber sie fühlte sich doch ziemlich eingeschüchtert von ihr. Wills Mutter hatte unverhüllt
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