Mit dir im Himmel auf Erden
sich, bis er aufhorchte, weil etwas seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er spielte mit einem der Lederbändchen an seinem Handgelenk und lauschte Roanes Stimme.
Es war für mich ein denkwürdiger Tag, er brachte große Veränderungen mit sich. Doch so ist das in jedem Leben. Man denke sich nur einen einzigen besonderen Tag aus ihm fort und überlege sich, wie ganz anders wohl das Le ben verlaufen wäre.
Ihre Stimme verzauberte ihn so sehr, wie die Worte, die sie zitierte.
Ihr Leser, sinnt einmal einen Augenblick darüber nach: die lange Kette aus Eisen oder von Gold, von Dornen oder von Blüten, sie hätte sich nie um euch geschlungen, wenn nicht ihr erstes Glied an einem denkwürdigen Tag gebildet worden wäre.
Er hatte nach einer langen Fahrt beschlossen, im Ozean zu schwimmen, und zwar genau dort, wo er schon als Teenager unzählige Male nackt gebadet hatte und wo Roane ihm über den Weg gelaufen war. War das das erste Glied an einem unvergesslichen Tag?
Adam überlegte angestrengt. Wieso maß er dem plötzlich mehr Bedeutung bei, als es verdiente? Zum Romantiker taugte er doch eigentlich nicht.
„Wo ist der Junge?“
Mit Engelsgeduld antwortete Roane: „Adam ist im Moment nicht da. Aber er ist nach Hause gekommen, um dich zu besuchen. Er kommt bestimmt bald wieder.“
Adam beugte sich vor und sah, wie sie seinem Vater beruhigend die Hand drückte und ihm zulächelte. „Dieses Mal ist er wirklich da. Du hast es dir nicht eingebildet.“
„Er war zu lange fort.“
„Ich weiß. Aber jetzt ist er da.“
Adam versuchte gerade, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass sein Vater sich mit Roane über ihn unterhalten hatte, bevor er zurückgekommen war. Er überlegte, was er davon halten sollte. Und dann passierte etwas, was er nie für möglich gehalten hätte: Sein Vater begann leise zu weinen.
Schluchzend stieß er hervor: „Wo ist der Junge, Grace?“
Grace war der Name von Adams Mutter.
Auch Roane kämpfte mit den Tränen. „Er ist …“
„Hier.“ Adam legte das Fotoalbum zurück und stand auf. Roane blickte ihm überrascht entgegen. Und Adam sagte die Worte, die ihm viele Jahre nicht über die Lippen gekommen waren: „Dad, ich bin hier.“
Unter Roanes Blicken ging er auf seinen Vater zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Der alte Herr umfasste sie mit kalter Hand und sagte bekümmert: „Tut mir leid, Junge, ich habe dich im Stich gelassen.“
„Schon gut, Dad.“ Er nickte Roane zu. „Lies weiter.“
Seine Anwesenheit machte sie offensichtlich nervös, denn sie verlas sich einige Male. Adam zog sich einen Stuhl heran und konzentrierte sich ganz auf seinen Vater. Langsam gewann Roane ihre Sicherheit zurück. Ihr ruhiger, gleichmäßiger Tonfall lullte Edward langsam in den Schlaf.
Als sein Vater eingeschlafen war, sah Adam Roane an, die aufgeblickt hatte. Sekundenlang schauten sie einander in die Augen, doch es kam Adam viel länger vor. Dann standen sie beide gleichzeitig auf, gingen zur Tür und verließen das Haus, schweigend und ohne einander zu berühren. Draußen hatte Adam das Gefühl, als wäre eine schwere Last von ihm genommen.
„Ich wusste nicht, dass du bei ihm warst“, sagte sie auf dem Weg zum Gästehaus. „Es tut mir leid.“
„Wie lange liest du ihm schon vor?“
„Seit einem guten Jahr. Am liebsten mag er die Klassiker.“
Unvermittelt blieben sie stehen. Der Abendhimmel leuchtete ocker- und goldfarben. Mit ihren ausdrucksvollen blauen Augen sah Roane Adam an. „Du hast ihm wirklich sehr gefehlt, Adam. An manchen Tagen ist er besonders verwirrt. Dann wird er sehr emotional und sagt, er muss dich finden, um das Unrecht wiedergutzumachen, das er dir angetan hat. Dich hier zu wissen, bedeutet ihm mehr, als du ahnst.“
Adam blickte über ihren Kopf hinweg in die Ferne. Diese Information musste er erst einmal verarbeiten. Sein alter Herr hatte sich sehr verändert. Vielleicht hatte Adam noch immer das Bild von seinem Vater, das er seit seiner Teenagerzeit mit sich herumschleppte. Damals war er nur wütend auf seinen Vater gewesen. Möglicherweise hatte auch er ihm Unrecht getan. Vielleicht hatte aber auch die Krankheit ihn so verändert. Adam wusste es nicht. Sie waren eben beide Sturköpfe. Vermutlich war er seinem Vater ähnlicher, als er je zugeben würde.
Roane kam näher. „Ihr habt noch Zeit.“
Adam runzelte die Stirn. Er dachte, er hätte alles sorgfältig geplant. Doch die Dinge hatten sich anders entwickelt. Es machte ihn nervös, keine
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