Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)
stand auf dem Spiel. Sie musste Bazza und Chad und sogar James – sollte sie es ihm je erzählen – etwas beweisen.
Evelyn fragte sich, was Carl sagen würde, könnte er sie hier sehen. Ihr verstorbener Mann hätte die Idee vermutlich großartig gefunden – hätte sich auf ihre Seite geschlagen, sie animiert weiterzumachen. »Komm schon, Ev. Du lebst nur einmal. Hau auf die Pauke, solange du es noch kannst.«
Das war von jeher seine Art gewesen, voller positiver Energie, bis zum bitteren Ende. Selbst als ihm der Krebs in die Knochen gekrochen war, hatte er sich gebärdet, als läge die Zukunft noch vor ihnen.
*
»Carl, mach den Jungs nicht dauernd Versprechungen. Du weißt doch nicht, ob es dir je wieder gut geht, und schon gar nicht, ob du mit ihnen dieses Jahr zum Fischen fahren kannst!«
»Mach dich nicht lächerlich, Liebling. Was ich mir vornehme, mache ich. Positiv denken! Das ist die Zauberformel. Du hast nur noch nicht erkannt, wie wichtig das ist.«
»Positives Denken ist kein Allheilmittel.«
»Mach keinen Stress. Es hat mich bis hierhin gebracht, und so stehe ich es auch durch.«
»Aber du weißt, was Dr. Coleman gesagt hat. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Glaubst du, ich finde mich mit einem Todesurteil ab, nur weil ein Dr. Coleman das behauptet?«
»Carl, wir müssen James und Andrew vorbereiten. Sie können sich doch nicht auf eine Angeltour freuen, die, wie wir beide wissen, nie stattfinden wird.«
»Sie wird stattfinden, wenn ich das sage, verdammt!«
»Du weigerst dich einfach, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ich verlange von dir, dass du endlich Vernunft annimmst. Bitte, Carl, ich weiß nicht mal, wie ich damit fertigwerden soll, wenn …«
»Ist ja gut, Ev. Glaubst du, ich wüsste nicht, wie recht du hast? Ich bin nur noch nicht bereit aufzugeben.«
*
»Na, wie kommen wir mit den Formularen klar? Alles ausgefüllt?«
Die Stimme riss Evelyn aus ihren schockierend lebhaften Erinnerungen. Sie sah auf. Vor ihr stand ein großer junger Mann und wippte lässig auf den Fußspitzen. Seine Augen glitzerten amüsiert.
Wie sich herausstellte, war Bazza nach Chad und den anderen Youngstern, die den alten Hangar von SkyChallenge (was für ein origineller Name) bevölkerten, eine wohltuende Abwechslung. Bazza war kaum älter als seine sämtlich Dreadlocks tragenden Kollegen, hatte jedoch sehr kurzes Haar und bis auf einen kleinen silbernen Knopf in seiner linken Augenbraue keine Piercings.Außerdem behandelte er Evelyn höflich und zuvorkommend – ohne das aufgesetzt betuliche Gehabe, mit dem die Jugend häufig »Respekt« für die ältere Generation demonstrierte.
»Okey-dokey! Scheint ja alles in Ordnung zu sein. Wird Zeit, dass wir mit Ihrem Training anfangen, Mrs McGavin. Folgen Sie mir und machen Sie sich auf das unglaublichste, wahnsinnigste, gewaltigste Erlebnis Ihres Lebens gefasst!«
Evelyn konnte keine Spur von Sarkasmus in seiner Stimme erkennen. Ihr Anblick schien weder Überraschung noch Skepsis bei ihm hervorzurufen. Dafür klang seine Bemerkung, er gehe davon aus, dass ein Fallschirmsprung das unglaublichste Erlebnis ihres Lebens werden würde, zu echt. Und Bazza wurde immer euphorischer, je ausführlicher er ihr den Sprung aus 4000 Metern Höhe beschrieb. Sie beschloss insgeheim, ihn zu sympathisch zu finden, um ihm zu widersprechen und ihm zu sagen, dass es sicher gewaltigere Erlebnisse als Skydiving in einem Menschenleben gab. Zum Beispiel die Geburt eines Zwillingspärchens (einen Jungen auf natürliche Weise, den anderen durch Kaiserschnitt).
Bazzas Leidenschaft galt offenbar dem Skydiving. Und dennoch legte er nicht das draufgängerische Machogehabe seiner Kollegen an den Tag. Seine Begeisterung steckte bald auch Evelyn an, und sie begann, sich auf den Sprung zu freuen. Sie verbrachten einen angenehmen Nachmittag draußen an der frischen Luft bei Trockenübungen, wobei sie alles über sein Abendstudium, seine Exfreundin, Mandy, und seinen neuen Schwarm erfuhr, ein Mädchen aus seinem Wohnblock namens Isabel, das er kaum kannte, sowie seinen heimlichen Wunsch, Psychologe zu werden. »Ich möchte Skydiving als Hobby, nicht als Beruf behalten. Der tägliche Trott kann tödlich sein«, erklärte er.
»Eines müssen Sie mir erklären«, begann Evelyn, als sie sich in einer Pause auf die Wiese setzte und ihr Gesicht in die warme Oktobersonne hielt. »In meinem Alter verliert man etwas den Kontakt zu jungen Leuten. Trotzdem interessiert es mich, was der Ausdruck
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