Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)
Geschmack konnten die neuen Streifen den alten Filmen nicht das Wasser reichen.
Bazza griff nach einem Thriller von Hitchcock – Der Fremde im Zug – und freute sich auf einen gemütlichen Abend zu Hause. Gelegentlich war es durchaus erholsam, die Jungs mal ein Wochenende los zu sein. Jeden Freitag oder Samstag Kneipen und Klubs unsicher zu machen war ein großartiger Zeitvertreib, aber gelegentlich auch sehr anstrengend. Mann, ich werde alt , dachte er gereizt.
Im Lift, bei der Fahrt in seine Wohnung im zweiten Stock, hörte er dann eine weitere Version der Geschichte von dem jungen Mann, der erschossen worden war. Dieses Mal von seinen guten Freunden Mr und Mrs Crease, die am Ende des gleichen Flurs wohnten. Die beiden waren nette alte Herrschaften, die er über die Jahre recht gut kennengelernt hatte. Mrs Crease brachte ihm oft frisch gebackene Krapfen, und Mr Crease gab ihm Ratschläge bezüglich seiner Abendkurse. Als Gegenleistung sprang Bazza ein, wenn es bei den Creases etwas zu reparieren galt. Gelegentlich handelte es sich dabei um eine Glühbirne, die ausgewechselt werden musste, ein anderes Mal stellte er das Mobiliar im Wohnzimmer nach Mrs Creases Anweisungen um (eines ihrer Hobbys). »Veränderungen sind das Salz in der Suppe des Lebens, mein lieber Junge«, pflegte sie dann zu sagen.
Auf dem Weg vom Lift zur Wohnung erzählte Mrs Crease mit trauriger Stimme: »Ich bin ziemlich sicher, dass es der Junge aus dem Stockwerk über uns gewesen ist. Soviel ich weiß, hat er sich vor einer Weile verlobt. Wie traurig für seine arme Verlobte.« Sie tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen. »Ich habe ihn nicht gut gekannt – nicht so wie dich, Barry … Aber schrecklich ist es trotzdem.«
»Ja, natürlich«, erwiderte er, nahm dem Ehepaar die Einkaufstüten ab und folgte ihnen zu ihrer Wohnungstür am Ende des Flurs. Er hielt ihnen mit dem Ellbogen die Tür auf, ging dann selbst hinein und trug die Einkäufe in die Küche.
»Ich weiß nicht, was wir ohne dich machen würden, Barry – du bist ein wunderbarer Freund.« Mrs Crease schüttelte traurig den Kopf.
»Trotzdem nennen Sie mich stur weiter Barry. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass mich alle Freunde …«
»Ja, ja«, fiel Mrs Crease ihm ins Wort. »Ich weiß. Aber du kannst von mir nicht erwarten, dass ich dich nicht bei dem Namen nenne, den dir deine Eltern gegeben haben. Hier hast du eine Tüte mit kandierten Früchten! Und dann ab mit dir!« Mit einem Lächeln drängte sie ihn praktisch zur Tür hinaus.
Zurück in seiner Wohnung, bereitete er sich ein einfaches Spaghettigericht zu, gab Kirschtomaten, Zwiebeln und einen Löffel Pesto in das Olivenöl in der Pfanne. Dann setzte er sich mit seinem Teller vor den Fernseher, schaltete den Videorekorder ein, zog die Schuhe aus und war bereit, seinen Feierabend zu genießen.
Einige Stunden später wachte er plötzlich auf. Er lag auf der Couch, die Mattscheibe flimmerte, es gab keinen Ton mehr, und derTeller Spaghetti stand noch fast unberührt auf dem Couchtisch. Hatte er überhaupt etwas von dem Film mitbekommen, bevor er eingeschlafen war? Offenbar hatte er in letzter Zeit zu oft bis spät in die Nacht für sein Studium gearbeitet. Er streckte sich und stand auf, griff nach der Fernbedienung, schaltete den Fernsehapparat aus und trug seinen Teller in die Küche. Er stand an der Spüle und wusch das Geschirr ab, als draußen vor dem Fenster etwas seine Aufmerksamkeit erregte.
Hatte er Halluzinationen? Da stimmte doch was nicht!
Er lief aus der Küche und auf den Balkon. Dabei schaltete er im Vorübergehen das Licht im Wohnzimmer ein. Dann trat er hinaus. Dort, unmittelbar vor ihm, im riesigen Gummibaum, der vor seiner Wohnung wuchs, hing ein Mädchen – konnte sich kaum noch an dem Ast halten, an den es sich klammerte.
»Mist! Brauchen Sie Hilfe?«, rief er ihr zu. Sie starrte ihn nur an. Er konnte den Ausdruck in ihrem Gesicht erkennen. Es drückte völlige Hilflosigkeit aus.
War sie betrunken? Bazza konnte sich ihrVerhalten nicht erklären. Dann sah er, wie ihre Hände abzurutschen begannen … Heiliger Strohsack, sie lässt los! Und dann fiel sie, krachte durch das Astwerk und landete Sekunden später mit einem dumpfen Aufprall am Fuß des Baums.
Bazza fackelte nicht lange. Er rannte durch seine Wohnung hinaus auf den Flur, die Treppen hinunter, denn das war schneller, als mit dem Lift zu fahren. Er nahm zwei Stufen auf einmal, sprintete durch die Tür des Notausgangs im Parterre und
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