Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
fällt es keinem auf, dass wir in der Arbeit jeden Monat Stifte, Papier und Klammern klauen und auch private Dokumente ausdrucken und das Telefon für einen Anruf bei der Ehefrau nutzen. Aber dann klagen wir, wenn es dem Unternehmen schlecht geht und es Mitarbeiter entlassen muss, weil plötzlich ein paar Millionen Euro fehlen.
Was kostet eine weggeworfene Zigarette? In München wird dafür ein Ordnungsgeld von fünf Euro ausgerufen. Wo liegt das Problem, hin und wieder seine Zigarette auf den Boden zu werfen?
In Deutschland rauchen 25 Prozent der Menschen regelmäßig, in München sind das also etwa 350000 Menschen. Der durchschnittliche Konsum regelmäßiger Raucher liegt bei 13 Zigaretten am Tag, was bedeutet, dass in München pro Jahr 1,66 Milliarden Kippen geraucht werden. Wenn wir nun vorsichtig schätzen und annehmen, dass 99 Prozent aller Zigaretten in einem Aschenbecher landen, dann sind es pro Jahr immer noch 16,6 Millionen Glimmstängel, die irgendjemand wegräumen muss.
Wie hoch die Zahl aller Verbrechen und die Höhe des Schadens tatsächlich sind, lässt sich freilich nicht feststellen, weil niemand die Dunkelziffer exakt bestimmen kann. Einige Schätzungen gehen von einem Schaden durch Verbrechen und Ordnungswidrigkeiten in Höhe von 130 Milliarden Euro aus, manche sprechen von bis zu einer Billion Euro pro Jahr.
Natürlich sind in diesen Schadenszahlen auch nicht jene Verbrechen eingerechnet, deren Schaden sich nicht beziffern lässt: Mord, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch.
Mein Freund Adam hält sich für einen braven Bürger, als ich am Montagmorgen in seiner Wohnung erscheine, um mich ein wenig umzusehen. Ich bin in Kontakt mit zwei befreundeten Polizisten, einem Finanzbeamten, einem Rechtsanwalt, einem Richter und einem Steuerberater – sie sollen mir jeweils bei der Festlegung der zu erwartenden Strafe helfen.
Ich habe ein wenig recherchiert nach dem Vorbild des Anwalts, der an der Universität Bayreuth die Facebook-Seite seiner 14 Jahre alten Nichte analysiert und dabei festgestellt hat, dass sie einen virtuellen Wert von etwa 15000 Euro hat – errechnet aus Gebühren und Schadenersatz für kopierte Fotos, Texte und Videos, für die sie eigentlich zahlen müsste. Ich habe die Seite meines Freundes durchgestöbert und komme auf etwa 12000 Euro.
Wo wir schon beim Internet sind: Als Erstes mache ich mich an seinen Computer, weil ich dort ein paar illegale Daten vermute. Und ich werde sogleich fündig: Auf den Festplatten befinden sich 72 Filme, mehr als 20 Staffeln von Fernsehserien und 7287 Songs – nicht schlecht für sechs Jahre Downloads. Dazu kommen noch 23 Computerspiele und sieben Softwareprodukte, die er ohne Lizenz benutzt.
Ich habe die durchschnittlichen Streitwerte recherchiert. Die liegen bei 20000 Euro pro Spielfilm, bei 1500 Euro pro TV -Serien-Folge, bei 1200 Euro pro Song, bei 10000 Euro pro Computerspiel und bei 20000 Euro pro Softwareprodukt. Wir sprechen also über einen Streitwert von insgesamt 11,154 Millionen Euro.
Das müsste er freilich nicht bezahlen, er würde wohl nur abgemahnt werden. Dann würde er einen Brief über 712571,43 Euro für sieben Jahre fröhliches Downloaden bekommen. Also 101795,92 Euro pro Jahr.
Im Arbeitszimmer finde ich die Steuererklärungen der vergangenen Jahre. »Muss ich die durchgehen, oder magst du mir gleich sagen, dass du nicht alles wahrheitsgemäß ausgefüllt hast?«
Er wird rot, es ist ein hellroter Teint wie bei einem Kaktusfeigensaft, weshalb ich sage: »Alles klar!«
Kurzer Blick auf den Fernseher: »Du bezahlst doch GEZ , oder?«
Nun wird das Rot eher blutorangenhaft. »Also nein!«
»Du bist ein Arsch!«
»Das ist eine Beleidigung.«
»So ein Scheiß! Du spinnst, du bist verrückt!«
»Das ist eine zweite Beleidigung!«
Nun erinnert seine Gesichtsfarbe an einen schönen Merlot.
Wissen für Nichtjuristen
Nicht nur Glücksspiel im Internet
ist nicht erlaubt, auch sogenanntes
Cyber-Mobbing ist strafbar. Mob-
bing selbst ist kein Strafbestand,
die einzelnen Tatbestände wie
Nötigung, Drohung, Erpressung
und Körperverletzung schon. Ein
aktuelles Urteil zeigt, dass ein
Arbeitgeber einem Mitarbeiter
kündigen darf, wenn er unter
einem beleidigenden Facebook-
Eintrag »Gefällt mir« klickt.
»Wo wir schon dabei sind: Das goldene Kettchen, das du da um den Hals trägst, das hast du doch damals am Flughafen von Doha gekauft. Ich gehe mal davon aus, dass du das bei der Rückkehr am Münchner Flughafen beim Zoll
Weitere Kostenlose Bücher