Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Arbeitgeber kann dir auch nachträglich noch kündigen, wenn er rausfindet, dass da nicht alles gestimmt hat.«
»Doch nicht nachträglich!«
»Doch! Wo wir schon dabei sind: Als wir uns damals im vollen Zug von München nach Regensburg immer in die erste Klasse gesetzt haben …«
»Das darf man! Wenn die zweite Klasse voll ist, kann man rübergehen!«
»Man muss aber den Aufschlag zahlen …«
»So ein Quatsch!«
»Und dass du deinem Untergebenen verboten hast, dass er nebenher arbeitet, das war auch nicht legal.«
»Wie?«
»Und noch was: Ich finde es ja schön, dass du dein Auto immer stehen lässt, wenn du beim Männerabend betrunken bist. Aber dass du kein Taxi nimmst, sondern zu Fuß nach Hause läufst, das kann dir auch zum Verhängnis werden!«
»Jetzt spinn mal nicht rum!«
»Ein Taxifahrer wurde mal als Fußgänger auffällig, weil er knallvoll war – obwohl er in 33 Jahren Dienstzeit nicht ein Mal betrunken im Auto erwischt worden war. Ein paar Jahre später fand man ihn wieder herumtorkeln und stellte mehr als zwei Promille Alkohol im Blut fest. Es wurde eine MPU angeordnet, weil er offensichtlich an Alkohol gewöhnt war. Der Taxifahrer lehnte ab – und verlor seinen Führerschein. Da half nicht mal eine Klage vor Gericht. Also stell dir mal vor, die würden dich ein paar Mal beim Heimtorkeln erwischen …«
»Aber ich bin noch nie erwischt worden!«
»Du denkst also, dass ein Verbrechen nur dann ein Verbrechen ist, wenn du dabei erwischt wirst?«
»Was denn sonst?«
»Wenn du also einen Menschen umbringst und nicht dabei erwischt wirst, dann hast du keine Straftat begangen?«
»Das ist etwas anderes!«
»Warum ist es etwas anderes, ob du bei der Steuererklärung betrügst oder einen Menschen umbringst? Klar, das eine Verbrechen ist schlimmer und verwerflicher als das andere, aber beide Taten sind Verbrechen. Du hast eben Glück gehabt, aber richtig war es trotzdem nicht. Stell dir doch mal vor, was passieren würde, wenn du öfter erwischt wirst.«
Den wahren Charakter eines Menschen erkennt man in jenen Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlt.
Ich erkläre ihm, dass ich ein Jahr so tun möchte, als würde mich rund um die Uhr ein Polizist oder Staatsanwalt begleiten, als wäre an jeder Straße eine Radarfalle angebracht und an jeder Ampel ein Blitzgerät. Als würde meine Steuererklärung haarklein geprüft. Als wäre in jedem Hotelzimmer eine Videokamera installiert. Als wäre ich bei Auslandsreisen stets derjenige, dessen Koffer am Flughafen durchwühlt werden.
»Okay, das ist etwas anderes!«
»Außerdem«, sage ich ihm, »wie kannst du behaupten, jedes Gesetz zu achten, wenn du nicht einmal alle Gesetze kennst? Hast du nicht gerade bewiesen, dass du über viele Dinge gar nicht Bescheid weißt? Womöglich brichst du aus Unwissenheit zahlreiche Gesetze.«
»Was mache ich denn schon? Ich bin der bravste Mensch der Welt!«
Ich merke, dass ich ähnlich wütend werde wie bei Menschen, die felsenfest behaupten, noch nie gelogen zu haben – nur weil sie sich ihre Definition der Lüge so hinbiegen, dass es mit ihrem Weltbild übereinstimmt. Diese Menschen beschweren sich darüber, dass Politiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Christian Wulff die Menschen anlügen, stellen dann aber in ähnlichen Fällen selbstgerecht fest, dass ihre Lüge keine Lüge ist.
»Darf ich dir eine Wette anbieten?«
»Was für eine Wette?«
»Ich begleite dich eine Woche lang rund um die Uhr und schreibe einfach mit, was du so anstellst. Dann vergleiche ich deine Taten mit dem Gesetz und den möglichen Strafen – und wir sehen, was am Ende dabei herauskommt. Verhalte dich einfach so, wie du dich immer verhältst. Wenn du tatsächlich kein Gesetz brichst und keine Ordnungswidrigkeit begehst, dann lade ich dich zum Steakessen ins teuerste Restaurant Münchens ein.«
»Da kann ich mir mein Steak jetzt schon bestellen!«
»Wenn ich jedoch etwas finde, dann bezahlst du die Strafe an mich oder an eine gemeinnützige Einrichtung! Sagen wir: Ein Hundertstel der Strafe reicht.«
»Abgemacht!«
»Und noch was: Ich darf auch ein wenig bei dir herumstöbern und gucken, ob ich Straftaten aus der Vergangenheit finde. Also gestohlene Handtücher aus Hotels oder geklaute Aschenbecher aus Restaurants.«
»Kein Problem, da wirst du bei mir kein Glück haben!«
Ich habe den Schönfelder gelesen und andere Gesetzbücher, ich bin perfekt vorbereitet. Doch bleibt die Frage, wie viele Gesetze es in
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