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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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Nutzen erhöhen.
    Das stimmt mit meinen Recherchen überein: In sehr vielen Fällen wissen die Menschen gar nicht, dass sie ein Gesetz brechen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen – etwa wenn sie zu schnell fahren, weil sie ein Verkehrsschild übersehen haben. In anderen Fällen glauben sie, dass der Gesetzesbruch niemandem schadet, etwa wenn sie nachts um drei Uhr auf einer unbefahrenen Straße bei Rot über die Straße gehen. Manchmal ignorieren sie den Schaden des anderen – sie werfen eine Zigarette einfach auf die Straße und denken nicht daran, dass es jemand wegräumen muss. Oft werden die negativen Folgen auch vergessen: Wer zu schnell fährt, denkt nicht daran, dass er dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Selten wird der Nachteil des anderen billigend in Kauf genommen: Steuerhinterzieher rechnen damit, dass schon jemand anderer dafür aufkommen wird. Meistens ist »jemand anderer« die Allgemeinheit, die durch höhere Steuern bestraft wird.
    Bösartigkeit und Böswilligkeit sind in den allerseltensten Fällen die Katalysatoren für den Gesetzesbruch. Wir alle sind potenzielle Verbrecher – ob es nun um zu schnelles Fahren geht, um das Downloaden von urheberrechtlich geschütztem Material im Internet, um das Wegwerfen von Müll auf die Straße oder um das Klauen von Handtüchern im Hotel. Wir alle haben solche Dinge wohl schon gemacht, ob nun absichtlich, unbewusst oder einfach aus Versehen. Wer behauptet, er hätte so etwas noch nie gemacht: Legen Sie dieses Buch weg, und melden Sie sich an für einen Platz im Himmel. Ich glaube es Ihnen dennoch nicht!
    Wir alle überlegen bei einer Untat: Lohnt es sich? Ist der Gewinn so groß, dass er das Risiko lohnt, erwischt zu werden? Das ist nicht nur beim Gesetzesbruch so, sondern in vielen anderen Momenten auch: Lohnt sich eine Lüge? Ergibt ein Seitensprung Sinn? Soll ich beim Fußball den Gegenspieler umhauen, bevor er ein Tor erzielt? Wir müssen abwägen und eine Entscheidung treffen.
    Das war meine Entdeckung – und meine Überlegung, ob ich ein Verbrecher sein möchte oder nicht: Der Preis für eine Monatskarte des Münchner Verkehrsverbunds errechnet sich nach der Anzahl der Ringe um den Stadtkern herum. Meine Frau und ich wohnten vier Jahre lang im Münchner Osten – nur eine U-Bahn-Station im dritten Ring gelegen. Eine Zwei-Ringe-Monatskarte kostete 46,40 Euro, das entsprechende Ticket für drei Ringe 55,80 Euro.
    Entweder wir bezahlen den Tarif für alle drei Ringe – oder wir riskieren es, bei jeder einzelnen Fahrt eine Station lang schwarz zu fahren und womöglich ertappt zu werden. Da meine Frau ein besserer Mensch ist als ich und den Spruch »No Risk – No Fun« für ein Relikt aus den 90er-Jahren hält, der ebenso verschwinden sollte wie Karottenjeans und Elektropop, entscheidet sie sich sofort für die teurere Variante. Ich wähle die billige, aber illegale Möglichkeit.
    Das Ergebnis nach vier Jahren: Meine Frau hat 2678,40 Euro bezahlt, um in München U-Bahn fahren zu dürfen, ich 2227,20 Euro. Ich wurde bei ungefähr 1600 Fahrten drei Mal ohne Ticket erwischt. Ich musste also wegen Schwarzfahrens insgesamt 120 Euro Strafe bezahlen, weshalb meine Gesamtkosten für die Benutzung der U-Bahn bei 2347,20 Euro lagen.
    Ich hatte gegenüber meiner Frau 331,20 Euro gespart.
    Verbrechen lohnt sich.
    (Un-)Wichtiges Wissen
    Der Begriff »schwarzfahren« hat
nichts mit der Farbe Schwarz zu
tun. Er leitet sich vielmehr ab vom
jiddischen Wort shvarts , das Armut
bedeutet. Der Schwarzfahrer ist
also einer, der zu arm ist, um sich
ein Ticket leisten zu können.
    Gary Beckers Entdeckung war ähnlich: Er kam zu spät zu einer Verabredung und musste sich entscheiden: entweder das Auto im Parkhaus abstellen, dafür aber zu spät zum Meeting kommen und womöglich einen lukrativen Auftrag verpassen – oder den Wagen schnell auf der Straße parken und einen Strafzettel riskieren, dafür aber den Gesprächspartner nicht verärgern. Becker entschied sich damals für das Falschparken und entwickelte daraus die Theorie, dass Kriminelle ihre Verbrechen vor allem aus ökonomischen Gründen planen und durchführen würden. Dieser Ansatz wurde zwar schon im 18. Jahrhundert von den Philosophen Cesare Beccaria und Jeremy Bentham verfolgt, der Ökonom Becker hat ihn jedoch weiterentwickelt, in Formeln gepackt und letztlich bekannt gemacht.
    Es funktioniert so: Durch eine illegale Handlung kann der potenzielle Verbrecher Güter oder Geld (B) erbeuten. Der

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