Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
Vom Netzwerk:
Diese Menschen sprechen immer von »Sie«, wenn es darum geht, dass es kein Geld gibt – ähnlich wie die Bild -Zeitung bei einem Ausscheiden von »Ihr Versager« spricht.
    Ich habe mithilfe dieser Menschen Geld bekommen und war dabei stets der Meinung, dass es mein gutes Recht sei.
    Die Wahrheit war jedoch: Wozu diese Menschen einen verleiten, ist Betrug. Aber das würde natürlich öffentlich niemand zugeben.
    In anonymen Interviews gaben mehr als 25 Prozent der Befragten an, gegenüber einem Versicherer in mindestens einem Fall falsche Angaben gemacht zu haben. Schätzungen haben ergeben, dass mehr als zehn Prozent aller Schadensmeldungen betrügerisch sind, in manchen Sparten wird gar von mehr als 50 Prozent ausgegangen. Fast jeder Dritte hält aktuellen Studien zufolge Versicherungsbetrug für ein Kavaliersdelikt, weitere 25 Prozent geben an, dass es zwar verwerflich sei – aber vertretbar, weil es schließlich alle machen würden.
    Nur weil alle es machen, so die Begründung, wird es legal.
    Pro Jahr werden 4,2 Milliarden Euro an Betrüger ausbezahlt.
    Wie passiert das?
    Ich habe tagelang damit verbracht, im Internet Briefe zu lesen, die Menschen an Versicherungen schicken und in denen sie Vorfälle erklären. Wer bei der Lektüre dieser Anschreiben nicht lachen muss, dem haben die Götter weder Herz noch Humor gegeben. Hier meine Lieblingsanschreiben:
    »In einer Linkskurve geriet ich ins Schleudern, wobei mein Wagen einen Obststand streifte und ich – behindert durch die wild durcheinanderpurzelnden Bananen, Orangen und Kürbisse – nach dem Umfahren eines Briefkastens auf die andere Straßenseite geriet, dort gegen einen Baum prallte und schließlich – zusammen mit zwei parkenden Pkws – den Hang hinunterrutschte. Danach verlor ich bedauerlicherweise die Herrschaft über mein Auto.«
    »Ich trat auf die Straße. Ein Auto fuhr von links direkt auf mich zu. Ich dachte, es wolle noch vor mir vorbei, und trat wieder einen Schritt zurück. Es wollte aber hinter mir vorbei. Als ich das merkte, ging ich schnell zwei Schritte vor. Der Autofahrer hatte aber auch reagiert und wollte nun doch vor mir vorbei. Er hielt an und kurbelte die Scheibe herunter. Wütend rief er: ›Nun bleiben Sie doch endlich stehen. Sie!‹ Das tat ich auch – und dann hat er mich überfahren.«
    »Alle Rechnungen, die ich erhalte, bezahle ich niemals sofort, da mir dazu einfach das Geld fehlt. Die Rechnungen werden vielmehr in eine große Trommel geschüttet, aus der ich am Anfang jeden Monats drei Rechnungen mit verbundenen Augen herausziehe. Diese Rechnungen bezahle ich dann sofort. Ich bitte Sie, zu warten, bis das große Los Sie getroffen hat.«
    »Ich habe noch nie Fahrerflucht begangen; im Gegenteil, ich musste immer weggetragen werden.«
    »Ich überfuhr einen Mann. Er gab seine Schuld zu, da ihm dies schon einmal passiert war.«
    »Schon bevor ich ihn anfuhr, war ich davon überzeugt, dass dieser alte Mann nie die andere Straßenseite erreichen würde.«
    »Erfahrungsgemäß regelt sich so was bei einer gewissen Sturheit von selbst. Darum melde ich Unfälle immer erst, wenn der Gegner mit Zahlungsbefehlen massiv wird.«
    »Einnahmen aus der Viehhaltung haben wir keine. Mit dem Tod meines Mannes ging das letzte Rindvieh vom Hof.«
    »Ich kann nicht schlafen, weil ich Ihre Versicherung betrogen habe. Darum schicke ich anonym 250 Euro. Wenn ich dann immer noch nicht schlafen kann, schicke ich Ihnen den Rest.«
    Wissen für Nichtjuristen
    Wer krank ist, hat mindestens
sechs Wochen lang Anspruch
auf Entgeltfortzahlung durch den
Arbeitgeber, danach längstens
78 Wochen Anspruch auf Kranken-
geld. Das hört sich lange an, kann
chronisch Kranke jedoch in finan-
zielle Notlagen bringen.
    Andere Seiten, die ich im Internet gefunden habe, sind Anleitungen zum perfekten Versicherungsbetrug. Es beginnt meist mit einer einfachen Frage wie: »Ich habe einen Kratzer in ein Auto gemacht – was tun?« Oder: »Mein Sohn hat eine Vase hinuntergeworfen – wie melde ich das der Versicherung?« Oder: »Ich habe mein Handy in der Badewanne versenkt, übernimmt das die Versicherung?«
    Die ersten Antworten sind meist harmlos: Jemand erklärt kompetent, was eine Versicherung übernimmt und was nicht. Er verweist sogar auf Seiten mit den Musteranschreiben und fügt Links zu den Seiten der Versicherungen hinzu, auf denen das Prozedere in solch einem Fall erklärt wird. Eigentlich wäre die Frage hiermit beantwortet, doch spätestens der vierte

Weitere Kostenlose Bücher