Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
begegnen, seit ich nicht mehr das Mundwerk eines Komikers mit Vertrag bei RTL habe. Das Diktiergerät zeichnet einen Monat nach Beginn des Versuchs nur 20 Beleidigungen und weniger als 30 herabwürdigende Äußerungen täglich auf. Und wenn mich tatsächlich jemand beleidigt, dann schieße ich nicht mehr zurück wie bisher, sondern gehe gelassen damit um und denke mir, dass die Äußerungen mehr über ihn aussagen als über mich.
Arthur Schopenhauer schrieb in seinem Werk Parerga und Paralipomena II : »Es gibt kein sichereres Merkmal der Größe, als kränkende oder beleidigende Äußerungen unbeachtet hingehen zu lassen, indem man sie eben wie unzählige andere Irrtümer der schwachen Erkenntnis des Redenden ohne weiteres zuschreibt und sie daher bloß wahrnimmt, ohne sie zu empfinden.«
Natürlich habe ich mir das Fluchen nicht komplett abgewöhnt, denn manchmal ist es einfach hilfreich, seinen Ärger hinauszubrüllen.
Nur halte ich mich jetzt an den Grundsatz: Es gibt Dinge, die müssen einfach gesagt werden – aber nicht alles, was gesagt werden muss, muss auch gehört werden.
Kapitel 17
Ich bin Anwalt! Ich auch! Ich auch!
In einem amerikanischen Gericht Ende des vergangenen Jahrhunderts. Ein Anwalt befragt einen Arzt über einen kürzlich verstorbenen Menschen.
Anwalt: Erinnern Sie sich an den genauen Zeitpunkt der Autopsie?
Doktor: Die Autopsie begann gegen 9:30 Uhr.
Anwalt: Mr. Meyer war zu diesem Zeitpunkt tot?
Doktor: Nein, er saß auf dem Tisch und wunderte sich, warum ich ihn autopsiere.
Anwalt: Haben Sie den Puls gemessen, bevor Sie mit der Autopsie anfingen?
Doktor: Nein.
Anwalt: Haben Sie den Blutdruck gemessen?
Doktor: Nein.
Anwalt: Haben Sie die Atmung geprüft?
Doktor: Nein.
Anwalt: Ist es also möglich, dass er noch am Leben war, als Sie ihn autopsierten?
Doktor: Nein.
Anwalt: Wie können Sie so sicher sein, Doktor?
Doktor: Weil sein Gehirn in einem Glas auf meinem Tisch stand.
Anwalt: Hätte der Patient trotzdem noch am Leben sein können?
Doktor: Ja, gut möglich, dass er noch am Leben war und irgendwo als Anwalt praktizierte.
Für diese Aussage soll der Doktor vom Gericht mit einer Strafe von mehr als 1000 Dollar belegt worden sein.
Wer 327 Stunden lang Gesetze liest, kann Sätze wie diesen hier auswendig aufsagen: »Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist.« Das ist der Paragraf 821 im BGB und trägt den wunderbaren Titel »Einrede der Bereicherung«. Es ist schön, so einen Satz auswendig zu können, weil man ja nie weiß, ob man ihn noch einmal braucht im Leben, diesen Satz.
So einen Satz zu kennen bedeutet natürlich noch nicht, ihn zu verstehen. Es kann sogar zu grandiosen Irrtümern führen, wenn man etwa glaubt, das Freizügigkeitsgesetz würde die Länge von Miniröcken regeln oder die Kleiderordnung am FKK -Strand festlegen. Zum Glück gibt es in Deutschland zahlreiche Menschen, die Gesetzestexte übersetzen und uns zu erklären versuchen, was wir wieder mal falsch gemacht haben.
Sie existieren nur, weil Gesetze so formuliert sind, dass sie kein Mensch versteht.
Es gibt mehr als 20000 Richter, einer für 4050 Bürger. Dazu kommen fast 50000 Bedienstete bei den Amtsgerichten und 15500 Menschen, die bei den Landgerichten arbeiten.
Und 150000 Rechtsanwälte. Vor 20 Jahren waren es hierzulande gerade einmal 60000 Anwälte, wobei der Anstieg natürlich damit begründet werden kann, dass sich in dieser Zeit auch die Zahl der Gesetze und Verordnungen mehr als verdoppelt hat.
Dazu 90000 Steuerberater und 14000 Wirtschaftsprüfer. Wieder ein kleiner Vergleich: Vor 20 Jahren gab es 50000 Steuerberater, der Beruf des Wirtschaftsprüfers schien damals gerade erst erfunden worden zu sein – gerade einmal 6000 übten diese Tätigkeit aus. Die gegnerische Truppe ist ähnlich stark aufgestellt: 110000 Finanzbeamte.
Nun sollten wir noch jene hinzurechnen, die dafür sorgen, dass wir auch ja jedes Gesetz und jede Verordnung einhalten: 264000 Polizisten, 41000 Bundespolizisten und 34000 Zöllner. Und natürlich sind da noch die Gesetzgeber und jene, die hauptberuflich die Gesetzgeber kritisieren. Die nennt man Politiker – es gibt etwa 55000 Menschen, die davon leben können.
Wissen für Nichtjuristen
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