Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
jedes Event – ob Fußballspiel, Rockkonzert oder gar Vernissage – nach wenigen Minuten ausverkauft. Sind die Menschen wirklich so heiß darauf, dass sie den Promotern und Fußballvereinen die Kassenhäuschen einrennen und Eintrittskarten kaufen, als wären sie wertvoller als Öl, Tinte und Gold zusammen? Offensichtlich nicht, denn oftmals sind es nicht Fans, die massenweise Karten bestellen, sondern Ticket-Weiterverkäufer. Für die Veranstalter hat das den schönen Effekt, dass sie ihre Events schnell als ausverkauft melden können.
Natürlich könnte der Veranstalter mehr für ein Ticket für ein großes Spiel verlangen, doch widerspricht das freilich dem Gedanken vieler Vereine, Mitgliedern und Fans den Zutritt zu gewähren zu einem Preis, der für einen normalen Menschen bezahlbar bleibt, ohne dass er sein Bankkonto leeren oder seine Familie eine Woche lang auf Essen verzichten muss.
Viagogo ist offensichtlich nicht nur Börse für Fans, die ihre Tickets an andere Fans verkaufen möchten, sondern ist oftmals selbst der Fan. »Bei großen Events wie Rihanna, Westlife und Take That bekommen wir Tickets vom Anbieter selbst, und wir verkaufen sie über unsere internen Accounts. Die Verkäufer sind dann quasi wir«, sagt eine Mitarbeiterin in der Dokumentation. Es gibt bei diesen Zweitverkäufern ganze Teams, die Deals mit Veranstaltern aushandeln – und Viagogo bestimmt den Preis je nachdem, wie viele Tickets an den ersten Tagen nachgefragt werden. Zu einigen Veranstaltungen bekommt Viagogo mehr als 4500 Eintrittskarten und verkauft sie mit mehr als insgesamt 300000 Euro Gewinn.
Rechtlich ist diesem Gebaren kaum Einhalt zu gebieten. Vereinfacht ausgedrückt: Eine Privatperson darf ihr Ticket verkaufen. Sie darf das sogar mit Gewinnerzielungsabsicht tun, wenn sie ein Gewerbe angemeldet hat – dann allerdings nicht vor dem Stadion. Das wäre ein Reisegewerbe mit Wertpapieren, was laut Paragraf 56 der Gewerbeordnung verboten ist.
Was jedoch auf den sogenannten Zweitmärkten passiert, ist schlicht und einfach eine unmoralische Abzocke jener Fans, die unbedingt ein Fußballspiel oder ein Rockkonzert sehen möchten und bereit sind, dafür Geld auszugeben. Es verstößt gegen jedes Verständnis von Fairness, wenn Karten nicht zuerst frei gehandelt, sondern sofort an Agenturen weitergegeben werden, die den Preis sogleich in die Höhe treiben.
Nur: Es ist nicht illegal.
Es ist schwer, juristisch dagegen vorzugehen, wie auch einige Urteile in den vergangenen Jahren zeigen. Die Band Nine Inch Nails etwa personalisierte die Tickets zu ihren Konzerten – man konnte sie ausschließlich online bestellen und dann nach Vorlage des Personalausweises abholen. Das allerdings widersprach dem Datenschutzgesetz und führte außerdem zu Tumulten vor den Stadien, weil nicht wenige Fans ihre Ausweise vergessen hatten und es zudem nicht erlaubt war, Karten für seine Freunde abzuholen.
Der Hamburger SV hatte eine ähnliche Idee und änderte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ticketchef Kai Voerste: »Wir verkaufen nur Zutrittsberechtigungen, die Ticketkäufer müssen mit dem Eintrag ihres Namens auf dem Ticket unterschreiben, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren.« Nach einem Privatkauf allerdings kann man die Umschreibung auf den eigenen Namen verhindern – der Verein kann den Käufer nur dann nicht ins Stadion lassen, wenn er einen berechtigten Grund hat. Ein Grund ist etwa, wenn der Käufer auf der nationalen oder internationalen Hooliganliste steht. Kein Grund ist, wenn der Käufer das Ticket im Internet gekauft hat.
Wie also geht man vor gegen diese moralisch verwerflichen, aber juristisch kaum einzudämmenden Verkäufe auf Zweitmärkten, Graumärkten und Schwarzmärkten? Uli Hoeneß brachte vor dem Champions-League-Finale eine Idee vor: »Wir brauchen eine Möglichkeit des Tickettausches. Vielleicht organisieren wir selbst eine Börse.« Warum eigentlich nicht?
Freilich wird das den verwerflichen Handel mit Eintrittskarten nicht komplett auslöschen. Das dürfte kaum zu schaffen sein, vor allem nicht durch Gesetze und Verbote.
Wirklich zu bekämpfen ist dieses Problem nur mit gesundem Menschenverstand und dem Zusammenschluss vieler.
(Un-)Wichtiges Wissen
Mitunter machen sich die
Schwarzmarkthändler selbst den
Markt kaputt. Bei einem Kon-
zert der Sängerin Madonna wur-
den Tickets unter dem Einkaufs-
preis angeboten, weil sie niemand
haben wollte. Beim Konzert selbst
blieben mehr als 2000
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