Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Plätze leer,
obwohl es offiziell ausverkauft
war.
Es wäre eine Gelegenheit, nicht nur auf die Straße zu gehen und zu protestieren, sondern tatsächlich etwas zu unternehmen – indem man die Zweitverkäufer einfach boykottiert. Wenn ihnen niemand mehr Tickets abkauft, dann wird ihr Geschäft unrentabel, und sie lassen es bleiben. Es wäre nur nötig, dass die Fans auch bei einem verlockenden Angebot tapfer bleiben und beschließen, Tickets nur zum Originalpreis zu kaufen. Das funktionierte in den USA bei der Tournee von Charlie Sheen: Ein Tickethändler kaufte alle Eintrittskarten und wollte sie aufgrund des Skandals zuvor (er war bei Two and a Half Men gefeuert worden) teurer verkaufen. Der Kniff wurde im Internet entlarvt, die Fans verzichteten und sorgten dafür, dass Sheen in teils nur zur Hälfte gefüllten Sälen auftreten musste.
Ich mache für mich selbst einen Test: Was würden Menschen für meine Eintrittskarte für das Champions-League-Finale bezahlen? Und: Ab welchem Preis werde ich schwach? Bester Sitzplatz. Zugang zum Champions Village außerhalb des Stadions, wo die VUP s (very unimportant persons) feiern. Zutritt zur Champions Lounge in der Arena, wo sich die VIP s (die wichtigen Menschen) aufhalten, und Blick zum Balkon der VVIP s (der ganz wichtigen Menschen). Dazu gibt es natürlich Leckereien wie Rinderfilet Tenderloin mit Ratatouille oder Lachscarpaccio oder ungefähr 1000 Törtchen – ebenso inklusive wie sämtliche Getränke.
Auf meinem Ticket steht noch nicht einmal ein Name, es ist in keiner Weise personalisiert. Ich könnte es also jedem verkaufen, der bereit ist, es mir abzukaufen. Murat würde sich womöglich wundern, wenn nicht ich, sondern ein anderer neben ihm im Stadion Platz nähme.
Ich habe allerdings nur 24 Stunden, weshalb die Angebote doch recht dürftig sind. Das höchste Gebot stammt aus der Nähe von London – dort sei einer bereit, 27000 Euro zu bezahlen.
27000 Euro! Für ein Fußballspiel! Noch einmal in Worten: Siebenundzwanzigtausend Euro! Damit könnten meine Frau, mein Sohn und ich exakt ein Mal um die Welt fliegen – und könnten sogar noch Essen kaufen.
Ich will gar nicht wissen, wie die Angebote ausgefallen wären, hätte ich ein wenig mehr Zeit gehabt.
Aber ich bleibe hart. Man kann sich nicht über die verwerflichen Praktiken von Tickethändlern beschweren und dann selbst keinen Anstand zeigen, nur weil einem jemand ein unmoralisches Angebot macht.
Außerdem: Was ich in diesem Stadion – trotz oder auch wegen der Niederlage des FC Bayern – erlebe, ist mit Geld nicht zu bezahlen. Wenn ich einmal als alter Mann auf der Veranda sitze und meine Enkelkinder eine witzige Geschichte von ihrem Opa fordern, dann werde ich nicht erzählen müssen, wie ich viel Geld gemacht habe, indem ich ein geschenktes Ticket weiterverkauft habe.
Ich kann dann die Geschichte erzählen, wie ich eine der mythenumranktesten Personen auf diesem Planeten gesucht und gefunden habe:
Tagsüber in München ist kaum etwas von Abramowitsch zu sehen, die Suche gestaltet sich äußerst schwierig. Er habe die Nobeldiskothek P1 für die Feier nach dem Spiel gemietet, sagen die einen. Andere behaupten, er treffe sich vor der Partie im Champions Village mit Sponsoren. Zwei Chelsea-Fans schwören, sie hätten Abramowitsch um 14 Uhr mit mindestens 30 Bodyguards am Mannschaftshotel gesehen – obwohl sein Privatjet zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelandet ist. Ist er womöglich gar nicht mit dem Flugzeug gekommen? Das Tarnen und Täuschen funktioniert wieder mal perfekt.
Die Boeing 767 ist laut flightradar24.com von Moskau aus über London, Donezk, Nizza, Basel und Baden-Baden nach München gekommen – wobei durchaus spekuliert werden darf, ob Abramowitsch in Nizza nur auf seiner Jacht gelegen oder sich mit einem Spieler oder gar dem Trainer der deutschen Nationalelf getroffen hat, die derzeit ebenfalls dort weilt.
Am Freitag ist der zweite Privatjet von Abramowitsch, ein Airbus A340-313X, von Moskau nach München geflogen, an Bord waren Freunde und Verwandte. Insgesamt sind laut einem Flughafenmitarbeiter fünf Flugzeuge in Abramowitschs Auftrag in München gelandet. Seit Freitag hat er eine Suite im Luxushotel »Mandarin Oriental« angemietet, dem Mannschaftshotel des FC Chelsea – der Sicherheitschef versichert jedoch, dass der Oligarch nicht im Hotel übernachtet habe.
Wo ist er?
Am Samstag um 14 Uhr landet die Maschine von Abramowitsch; die Planespotter sind begeistert, ein
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