Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Flughafenmitarbeiter bestätigt später, dass der russische Oligarch aus der Maschine gestiegen ist. Das Flugzeug wird wie alle Maschinen ganz wichtiger Leute sogleich in den Frachtbereich des Münchner Flughafens umgeleitet; dort warten mehrere Limousinen auf Abramowitsch. Kurz darauf wird der Oligarch im Restaurant »Freisinger Hof« im Norden Münchens gesichtet, er isst dort mit seiner Entourage zu Mittag. Danach, so eine Mitarbeiterin des Mannschaftshotels, begrüßt der Chelsea-Besitzer die Spieler im Hotel, bevor sie um 18 Uhr zum Stadion abfahren.
Im Champions Village ist nichts von Abramowitsch zu sehen. Ein paar leicht bekleidete Frauen mit blondiertem Haar und russischem Akzent versichern, dass sie Abramowitsch kennen und dass er sicher bald vorbeikomme, doch das stimmt nicht. Auch in der Champions Lounge im Stadion hält sich Abramowitsch zunächst nicht auf. Es huschen zwar Prominente aller Buchstabenkategorien vorbei, aber nicht die schillerndste Figur dieses Finales. Zehn Stunden lang habe ich nach dem Oligarchen gesucht und ihn nicht gefunden. Ich hole mir ein Bier und stelle mich an einen Stehtisch vor die Toilette. Vielleicht muss er ja mal, der Mann.
Tatsächlich: Abramowitsch muss mal. Er trägt ein weißes Hemd und eine blaue Strickjacke und natürlich Fünftagebart, sarkastisches Grinsen inklusive. Sein Bodyguard wehrt sofort alle Versuche ab, sich dem scheuen Milliardär zu nähern. Abramowitsch bleibt gelassen und lässt sich fotografieren.
Ein »Good luck« beantwortet Abramowitsch mit einem Kopfnicken, einem freundlichen Lächeln und einem »Thank you«. Er hält sich nicht in der abgetrennten VIP -Loge auf, sondern trinkt an einem Holztisch Mineralwasser, die alkoholischen Getränke überlässt er seinen Begleitern. Kurz vor dem Anpfiff geht er dann hinaus auf die Haupttribüne.
Das Spiel seiner Elf quittiert er lange Zeit mit Kopfschütteln, beim Ausgleich lächelt er, vor der Verlängerung eilt er nochmals zur Toilette. Während des Elferschießens wirkt er nervös – dann jubelt er. Bei der Siegerehrung hält er sich zurück, erst als ihm Didier Drogba den Pokal in die Hand drückt, reckt er ihn in die Höhe und lacht, wie man diesen Menschen noch nie zuvor hat lachen sehen.
Nach dem Spiel fährt Abramowitsch zum Mannschaftshotel. Er schlendert über die Straße, winkt bei den Rufen der Fans und wartet dann im Bankettsaal auf die Ankunft der Spieler. Am Morgen danach will er vor dem Hotel nichts sagen und keine Fotos machen. Gegen Mittag verlässt die Boeing 767 den Münchner Flughafen. Der geplante Zielort war Moskau, doch auch das ist Tarnung – am Nachmittag nämlich feiert er in London mit der Mannschaft. Nicht einmal 24 Stunden dauert der Besuch von Roman Abramowitsch in München. Er kam, er sah, er flog mit dem Pokal wieder davon.
Kapitel 19
Liebe Ehefrau, jetzt muss ich dich verprügeln!
»Hin und wieder muss man Regeln brechen – das nennt man Spaß!«
Robin Williams sagt das in Good Morning, Vietnam . Das ist ein schöner Satz, weil er auch eine doch nicht uninteressante Frage aufwirft: Was tun mit sinnlosen Gesetzen? Wir brechen jeden Tag Gesetze, manchmal unabsichtlich, manchmal bewusst, weil wir dieses Gesetz für Quatsch halten.
Das ist gar nicht so schlimm, wie es sich zunächst einmal anhört. Hätte in der Vergangenheit nicht irgendjemand Gesetze gebrochen oder für sinnlos erklärt oder dagegen protestiert, so würden wir heutzutage immer noch nach der Jurisdiktion von Neandertalern leben. Gesetze ändern sich, sie müssen sich ändern, weil sich Gesellschaften entwickeln. Es gehört zu den Pflichten des Gesetzgebers, die Regeln so anzupassen, dass wir damit leben können.
Seit 15 Jahren frage ich mich: Warum gibt es dann in den Vereinigten Staaten derart viele unsinnige Gesetze? Es gibt Webseiten und ganze Bücher, die komische Verordnungen in einzelnen Bundesstaaten auflisten. Existieren diese Gesetze nur, damit deutsche Anwälte Bücher verkaufen können und deutsche Comedians ihr Programm mit simplen Gags vollbekommen? Oder haben sie den tieferen Sinn, dass wir Europäer einen Beweis dafür haben, dass sie spinnen, die Amerikaner?
Natürlich nicht. Es gibt diese Gesetze, weil sie irgendwann einmal eingeführt wurden und es ein unglaublicher bürokratischer Aufwand wäre, sie alle abzuschaffen. Allerdings sind diese Gesetze längst abgeschafft worden durch die höher gestellte Gesetzgebung. Sie gelten schon lange nicht mehr, und das ist vernünftig. Es
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