Mit einem Bein im Modelbusiness
komisch klingen, aber ich hatte seit jeher ein ziemlich großes Ego und fand mich in dieser eleganten und prestigeträchtigen Modewelt durchaus wieder. Unter allen sieben Todsünden war Eitelkeit nämlich schon immer meine liebste.
Ich wollte nicht nur geile Fotos von mir haben, sondern geile Fotos für geile Kunden in geilen Magazinen. Es war an der Zeit, auf das nächste Level zu gelangen. Mein Problem war nur, dass ich keine Möglichkeit sah, meinen Weg selbst zu beeinflussen oder wenigstens zu beschleunigen. Das Handy lag immer griffbereit neben mir. Jeden Tag hoffte ich auf einen Anruf aus der Agentur, aber es passierte rein gar nichts. Das war ziemlich deprimierend, aber ich wusste genau, dass meine Chance schon kommen würde. Und dann, ja, dann musste ich bereit sein.
Mein zweites Test-Shooting fand drei Monate später, Anfang Juni 2008, statt. Ich war mit dem Fotografen Ben Lamberty und seiner Crew im Unigebäude am Berliner Tor verabredet, nicht weit entfernt von meiner Wohnung. Vom fehlenden Glamourfaktor stand es meinem Debüt in der Lüneburger Heide in nichts nach. Es war ein angenehm warmer Sommerabend, und ich hetzte nach dem Arbeitstag im Büro direkt in diesen ausladenden Betonkomplex, wo ich mich jede Minute der kommenden fünf Stunden fragte, was ich hier eigentlich zu suchen hatte. Mit den anderen beiden Models hing ich wie bestellt und nicht abgeholt vor einer superschäbigen Wand aus grauem Pappmaché ab und langweilte mich zu Tode, weil einfach nichts passierte. Warten! Warten! Warten! So kann das nie etwas werden mit der Karriere, ärgerte ich mich über die vergeudete Zeit und dachte neidisch an meine Clique, die gerade im Stadtpark ein paar gepflegte Bierchen zischte.
Was man aber nie vergessen darf: Nichts passiert ohne Grund! Alles hat seinen Sinn, auch wenn einem das meist erst viel später klar wird. Wie es der Zufall nämlich so wollte, lernte ich während des Shootings eine Stylistin kennen, die mich ein Jahr später für das Oyster Magazin gebucht hat. Sie sollte für das australische Magazin eine Fotostrecke arrangieren, und ihr wurde das seltene Privileg zuteil, die komplette Produktion eigenständig zu planen – was für eine Stylistin eher ungewöhnlich ist –, und sie dachte dabei eben auch an mich. Hammer!
An diesem Tag lernte ich, was es bedeutet, aus jeder Situation etwas Positives mitzunehmen. Als ich Lea die Bilder von Ben zeigte, war sie zuerst wenig begeistert und meinte nur lapidar: » Was soll das denn?« Meinen persönlichen Geschmack trafen sie zwar auch nicht, aber sie waren eben meine ersten richtigen Porträtaufnahmen und sollten mir schon zwei Wochen später eine weitere, sehr große Tür öffnen.
Bild 5
Mein zweites Test-Shooting in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Sommer 2008
Als HUGO BOSS anrief
Peter war meine Rettung. Ohne ihn … nein, ich will gar nicht darüber nachdenken. Er war damals Anfang 30 und als Fotograf bei meiner Agentur angestellt, aber irgendwie hatte ich von der ersten Sekunde an den Eindruck, dass er viel mehr war als das. Jeder suchte seine Nähe. Es war ein bisschen so, als trüge er den Schlüssel zu einem Geheimnis mit sich, nach dem wir anderen alle suchten. Er hatte auch überall seine Finger mit im Spiel und kannte sich in allen Bereichen des Business extrem gut aus. Er hatte selbst jahrelang als Model gearbeitet, was er gelegentlich immer noch machte, und er wurde in kniffligen Situationen oft um Rat gefragt, auch von Chefs. Sein Wort hatte Gewicht.
Die New Faces der Agentur konnten sich für 600 Euro ein Shooting bei Peter kaufen. Für mich kam das aber nie infrage. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich kein eigenes Geld investieren werde, abgesehen davon, dass ich von meinem mageren Ausbildungsgehalt ohnehin nichts hätte abzwacken können.
Ich war froh genug, wenn am Monatsende überhaupt noch ein paar Kröten auf dem Konto übrig blieben. Im Rückblick hätte ich das heute ein wenig anders gemacht. Wahrscheinlich hätte ich mir von meinen Eltern einen Kredit geben lassen, um meine Mappe aufzubauen. An hochwertigen Fotos führt eben kein Weg vorbei, und die haben nun einmal ihren Preis. Die Models müssen den Betrag ja nicht bar bezahlen, sondern bekommen ihn von der Agentur vorgestreckt. Ich wollte aber nie bei denen in der Kreide stehen, denn das hätte bedeutet, dass du in der Anfangszeit umsonst arbeitest, sofern du überhaupt Jobs bekommst.
Der gewisse Look
Durch einen Zufall fielen Peter
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