Mit einem Bein im Modelbusiness
seiner neuen Frau Luzia und meinem kleinen Halbbruder Jan wohnt. Der Junge sieht verdammt hübsch aus und hat mit seinen dreizehn Jahren schon einen richtigen Schlag bei den Mädels.
FELD Hommes – meine erste Modestrecke
Ich verbrachte also mit Freddy und meinem Vater ein paar wunderbare Tage in Dänemark auf dem Boot. Es ist keine Acht-Meter-Yacht, hat aber immerhin eine kleine Schlafkajüte, die man prima als Stauraum für Angelausrüstung und Bierkästen verwenden kann. Wir machten uns locker und ließen uns auf dem Wasser treiben. Die Fische blieben zwar fern, dafür schien die Sonne den ganzen Tag, und das Flens war eisgekühlt. Mehr wollten wir gar nicht.
Am Abend kam ein Anruf aus der Agentur.
» Ach nee«, sagte ich scherzhaft zu meinem Vater, als ich auf das Display guckte. » Die müssen wohl versehentlich auf die falsche Taste gekommen sein.«
» Mario«, begrüßte mich Christian gut gelaunt. » Wir haben übermorgen wieder ein Shooting für dich.«
» Das geht gerade nicht«, antwortete ich knapp. » Ich bin eben erst in Urlaub gefahren.«
» Ist aber wichtig!«
» Test-Shooting?«
» Ja.«
» Wo?«
» In Hamburg.«
» Hmm, ich bin in Dänemark.«
» Mario, überleg’s dir! Dieses Mal ist ein richtig professionelles Team am Start.«
Dieses Spielchen kannte ich schon. Im Vorfeld ist immer alles » superwichtig« und jedes Team » hochprofessionell«, und wenn man dann am Set die Realität vor Augen hat, war doch » alles irgendwie ein blödes Missverständnis«. Schon klar!
Trotzdem freute ich mich über Christians Anruf, denn ich hatte Bock, nach all den Wochen des Abwartens endlich wieder Vollgas zu geben. Ich fragte Freddy, ob er was dagegen hätte, schon einen Tag früher abzureisen, was für ihn völlig okay war, und sagte schließlich zu.
Natürlich tat ich das, denn was man nie vergessen sollte: Jede Chance, die dir gegeben wird, ist eine weitere Chance, um zu gewinnen. Also Leute, auch wenn es oft schwerfällt: Hoch vom Sofa!
Das Shooting fand in den Aplanat Studios im Schanzenviertel statt, direkt hinter der Roten Flora. Von meiner Wohnung waren das zu Fuß bequeme zwanzig Minuten. Ich hatte keinerlei Erwartungen, doch als ich dort ankam, traute ich meinen Augen kaum. Es gab einen richtigen Cateringservice, und drei Assistenten kümmerten sich nur um mich. Alle fünf Minuten wurde ich gefragt, ob ich einen Espresso wolle, ob es mir gut ginge, ob ich Lust auf eine Kopfmassage hätte und bei welcher Musik ich am kreativsten arbeiten könne.
» Ja, Mann!«, freute ich mich über diese unerwartete Überraschung und sah mich höchst zufrieden am Set um. Ein Shooting, wie ich es mir schon immer gewünscht hatte.
Und dieses Mal war auch tatsächlich eine Spitzencrew am Start: Till Becker, ein Topfotograf, der schon Kampagnen für John Frida, Levi’s und Nike betreut hat, Christian Stemmler, einer der Stylisten im Game, und Tom Kroboth, Chef-Hairdresser von Schwarzkopf und 2007 zum Besten Friseur Deutschlands gekürt. Also, da ging schon was.
Tricks und Tücken
Für die erste Session sollte ich einen hellblauen Anzug von Joop! tragen. Sehr elegant, sehr eng, sehr geil. Das Problem war nur, dass er dermaßen figurbetont geschnitten war, dass ich mit meinem rechten Bein nicht in die Hose kam. Normalerweise hat der Übergang vom Bein zum Fuß an der Ferse einen Winkel von 90 Grad. Bei einer sehr engen Jeans zum Beispiel kann man beim Reinschlüpfen einfach seinen Fuß längsseits ausstrecken und die Hose mit ein bisschen Kraft darüber ziehen. Bei meiner Orthese ist das aber nicht möglich, da sie aus einem Stück gefertigt und nicht dehnbar ist.
Was also tun? Nachdem ich etwa zehn Minuten kläglich versucht hatte, den Kampf gegen die dämliche Hose zu gewinnen, ohne sie zu zerreißen, kam mir schließlich eine Idee. » Ja, das müsste funktionieren«, nickte ich, legte die Hose zur Seite und nahm die Orthese ab.
Mittlerweile stand das komplette Team staunend um mich herum und beobachtete interessiert mein Vorhaben. So etwas hatten sie noch nicht erlebt. All eyes on me! Mir wurde leicht mulmig dabei, denn wenn es nicht klappte, hätte die Crew auf der Stelle einpacken können. Oder schlimmer: Ich wäre ersetzt worden. Cool bleiben, Mario!
Ich nahm die Hose von der Stuhllehne, steckte die Orthese von unten durch das rechte Hosenbein und stieg von oben wieder ein. Bingo, die Hose passte wie angegossen!
» Tadaaa«, drehte ich mich glücklich zur Crew, die mir durch » Daumen
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