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Mit einem Bein im Modelbusiness

Mit einem Bein im Modelbusiness

Titel: Mit einem Bein im Modelbusiness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Mario und Amend Galla
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aus. Es passierte rein gar nichts. Nicht ein Kunde meldete sich. Selbst von meiner Agentur bekam ich kein Feedback. Nada. Nichts. Niente. Vielleicht hatten sie ein schlechtes Gewissen, keine Ahnung. Der Einzige, der anrief, war Peter, der mir noch einmal bestätigte, wie unendlich leid es den Leuten von HUGO BOSS tat und wie traurig sie waren, dass ich in diese Situation gebracht wurde. Ich glaubte ihnen. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass sie mich nicht genommen hätten, wäre mein Manko im Vorfeld eindeutig an sie herangetragen worden. Ein Jahr später wurde ich, im Gegensatz zur Prophezeiung der netten Hoteldame, auch tatsächlich nicht mehr gebucht. Hand aufs Herz: HUGO BOSS betreibt so viel Imagepflege, unterstützt etliche Charity-Aktionen, da brauchen die nicht noch einen Behinderten, der für sie über den Laufsteg humpelt und seine Unperfektheit öffentlich zur Schau stellt.
    Als ich beim Fitting vor den Designern stand und sie meinen Style abcheckten, merkte ich durchaus, dass sie meinen Look extrem geil fanden, wirklich extrem geil. Aber ich spürte ebenso – obwohl sie alles getan haben, um sich nichts anmerken zu lassen –, dass ihnen die Sache mit der Orthese ganz und gar nicht in den Kram passte. Ist doch logisch: Wenn ich, als Kunde, ein Model buche, weil mir seine Optik gefällt, dazu ein Video sehe, auf dem dieses Model ordentlich läuft, und ich erst kurz vor der Show völlig unvorbereitet erfahre, dass es humpelt, ist das ab diesem Moment ein völlig anderes Business. Das hat dann auch nichts mehr mit meiner Behinderung zu tun, sondern mit der Vision des Designers. Wenn ich mit meinem P. Diddy Swag Walk, den ich nun einmal nicht ändern kann, nicht ins Konzept passe, dann ist das einfach eine Tatsache, für die sich niemand rechtfertigen muss. Erst recht nicht, wenn man es sich als Firma leisten kann, einfach bei der nächsten Agentur anzurufen und zu sagen: » Schickt uns bitte einen Blonden vorbei! Wir legen auch noch einen Tausender drauf.«
    Schwamm drüber! Ich hatte meine fünf Minuten. Alles andere ist ohnehin längst vergessen. Beim Fußball fragt nach dem Spiel auch keiner mehr, wie ein Tor gefallen ist. Hauptsache, man steht auf der Torschützenliste.
    Mit Vaddi in Dänemark
    Die Wochen verstrichen, mein Telefon blieb weiterhin stumm, und ich rutschte peu à peu wieder in das gewohnte Schema meines alten Lebens zurück: zur Arbeit gehen, Party machen, zur Arbeit gehen, Party machen. C’est la vie! Auch dem Sommer ging langsam, aber sicher die Puste aus, obwohl es, selbst für Hamburger Verhältnisse, immer noch angenehm warm war. Eines Abends rief mein Vater aus Dänemark an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, kurzfristig ins Auto zu springen und zu ihm rüberzufahren. Er habe eine kleine Hütte am See gemietet und genug Bier für eine ganze Fußballmannschaft kalt gestellt. Klang super! Ich hatte mir ohnehin gerade ein paar Tage Urlaub genommen, und Freddy, der aus London zu Besuch war, nickte ebenfalls begeistert, als ich ihm von der Idee erzählte. Also los!
    Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, bekam ich meinen Vater als Kind nur alle sieben bis vierzehn Tage zu Gesicht. Als ich älter wurde, fuhren wir an den Wochenenden oft mit dem Motorrad durch die Lüneburger Heide oder gingen ins Stadion, wenn der FC St. Pauli spielte. Aber dann, mit vierzehn, fünfzehn, hatte ich natürlich spannendere Dinge im Kopf, als mit meinem Dad abzuhängen. Das kam erst wieder nach dem Abitur, und seitdem machen wir wieder regelmäßig gemeinsame Kurzurlaube – mal ein verlängertes Wochenende in Schweden oder eben ein paar Tage in Dänemark, wo er ein kleines Boot liegen hat. Wir fahren raus auf die See, werfen unsere Angeln aus und lassen die Seele baumeln. Mein Vater ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Ich lehne mich jedes Mal voller Vorfreude gegen die Reling, schaue in den Himmel und höre seiner tiefen Stimme zu, die pathetisch über das Deck schwingt. Ich gebe zu, ich stehe auf diese kitschigen Momente. Wir machen da draußen einfach unser Ding, ohne Zwang und Stress, und wenn wir abends zurück in die Hütte kommen, kippen wir uns auf der Veranda ein paar Bierchen hinter die Binde und reden über Gott und die Welt. Für mich sind diese wenigen Tage im Jahr viel schöner und intensiver, als wenn ich ihn zu Hause besuche, wo doch nur die Sorgen des Alltags über jedem Gespräch hängen. Er lebt weiterhin in Schneverdingen, wo er sich ein Haus gebaut hat, in dem er mit

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