Mit einem Bein im Modelbusiness
Alex. » Vorm Schaufenster auf der Mönkebergstraße, oder wie?«
Ich grinste ihn lässig an und klaute mir eine labbrige Pommes von seinem Teller. Dann erzählte ich meine Story. Ab und an kam ihnen ein » Uhh« oder » Is’ nich’ wahr!« über die Lippen, doch die meiste Zeit schauten sie mich einfach nur völlig perplex an. Am Ende der Mittagspause hatte ich einen neuen Spitznamen: Mario Schenkenberg.
Sie mussten mir hoch und heilig versprechen, die Geschichte für sich zu behalten, denn beim NDR durfte niemand davon erfahren. Es war nämlich so, dass ich jede nebenberufliche Tätigkeit hätte anmelden müssen. Du füllst ein Formular aus, und dann wird geprüft, ob dich das in deiner täglichen Arbeit einschränken könnte. Ja, super! Gleich bei meinem ersten Nebenjob kam ich fast eine Stunde zu spät und total übermüdet ins Büro. Mein Ausbildungsleiter hätte mir das niemals erlaubt. Ich meine, wenn heute ein Anruf gekommen wäre: » Mario, du fliegst morgen früh für ein Shooting mit Calvin Klein nach New York«, dann möchte ich den Boss sehen, der gesagt hätte: » Gratuliere! Hier bleibt zwar deine Arbeit liegen, du wirst übermorgen mit einem mächtigen Jetlag zurückkommen und müde sein wie zehn Faultiere, aber ich finde es großartig, dass du deinen Träumen folgst und so viel Spaß hast. Viel Erfolg! Und bring mir einen New York Cheese Cake mit, wenn du daran denkst.«
Genau deswegen hielt ich meine Klappe und achtete stets darauf, während der Ausbildung gute Noten zu haben, um ja nicht aufzufallen.
Die Sehnsucht wächst … und die Ungeduld
Zu meinen Aufgaben gehörte es auch, die Sitzungen der Chefredaktion vorzubereiten. In der Anfangszeit meiner Ausbildung wurde ich von meinem Ausbildungsleiter gefragt, ob ich mir das vorstellen könne, denn ihm sei bewusst, dass das nicht jedermanns Sache war. Doch ich winkte nur ab und meinte cool: » Logo, warum nicht?«
» Sie müssten dann den Tisch eindecken, Kaffee kochen und die Herren bedienen, die sich im Sitzungssaal einfinden.«
» Na klar, damit hab ich kein Problem«, sagte ich leichthin, wohl wissend, dass das alles andere als mein Ding war. Naiv, wie ich war, hoffte ich einfach, dass ich mich schon irgendwie davor drücken könnte. Von wegen!
Jedes Mal, wenn ich an der Kaffeemaschine stand, dachte ich darüber nach, alles hinzuschmeißen. Ich hatte mich doch nicht durchs Abi gequält, um mich jetzt so krass unterzuordnen. Da war ich mit meinem Ego echt hart im Konflikt und merkte, dass dieser Beruf einfach nicht für mich geschaffen war. Das willst du später nicht mal einen Monat machen, sagte ich mir, nicht mal eine Woche. Die Ausbildung abzubrechen wäre aber auch keine Lösung. Das letzte Jahr geht bestimmt schnell vorbei, außerdem ist ja nicht alles schlecht, versuchte ich mich zu trösten. Denk an die schönen Momente!
Gleichzeitig wuchs meine Sehnsucht nach Anerkennung und Erfolg von Tag zu Tag. Ich steckte in einem Teufelskreis fest, denn mit jeder Ausgabe der Vogue, in der wieder kein Foto von mir abgebildet war, glaubte ich, alles falsch zu machen. Wenn ein Traum in dir heranwächst und langsam Gestalt annimmt, du in deinen Gedanken nur noch über Regenbogen hüpfst und dann in einem tristen Büro wieder aufwachst, stellst du dir schon die Frage, warum du eigentlich nicht jetzt gerade in diesem Augenblick die Zeit deines Lebens hast. Meine Situation war ja besonders krass, da ich wirklich von einem Extrem ins andere rutschte. Am liebsten wäre ich auf den Tisch gesprungen und hätte geschrien: » Hört mal, Leute: Ich bin neulich für HUGO BOSS gelaufen. Könnt ihr euch vorstellen, was das für mich bedeutet? Ich bin Mario, ich will die Welt erobern und keinen Kaffee kochen!«
Glaubte ich ernsthaft, bereits nach einer Show dick im Geschäft zu sein? Ich tat es! Wenn du für HUGO BOSS gelaufen bist, dann haben dich auch alle wichtigen Menschen der Branche gesehen, redete ich mir permanent ein. Dann wirst du automatisch gebucht.
Ich war ja so blauäugig!
Im Büro lag mein Handy immer aufgeladen und griffbereit neben mir, und ich wartete ungeduldig, dass mein Booker anruft und sagt: » Mario, wie geht es unserem Shootingstar heute? Hör zu, bei mir liegen 200 Optionen auf dem Tisch. Tom Ford hat sich auch schon gemeldet. Er ist ganz verliebt in dich. Also, was willst du machen, wo willst du hin – New York, Paris, Mailand, London? Die Welt wartet auf dich, mein Goldjunge!«
Die Wahrheit sah leider ein klein wenig anders
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