Mit einem Bein im Modelbusiness
nun auf Nummer sicher und führte mich persönlich die Treppen in den Keller hinunter. Vor einer einfachen Kellertür blieb er stehen und klopfte.
» Avanti!«, rief eine männliche Stimme.
Der Pförtner signalisierte mir einzutreten, drehte sich noch einmal prüfend um und verschwand wortlos. Ich war jetzt beim Casting-Director von Armani gelandet, der mir recht emotionslos » Buon giorno« sagte. Innerhalb einer Millisekunde war jegliche Form von Romantik, die ich im Vorfeld in dieses Treffen hineininterpretiert hatte, zerstört. Während oben in der Schneiderei ein großer antiker Holztisch stand, frische Blumen ein angenehmes Klima verströmten und alles total schön und liebevoll eingerichtet war, befand ich mich hier unten lediglich in einem stinknormalen Büro. Die Illusion war dahin.
Naiv, wie ich war, dachte ich ernsthaft, Armani wollte mich persönlich kennenlernen. In Wirklichkeit wurde ich nur zu einem Go-See eingeladen. Das bedeutet, sie checken kurz deinen Look ab, und dann kannst du auch schon wieder abwackeln. Die ganze Aktion dauerte nicht länger als fünf Minuten. Ich probierte ein Jackett aus der neuen Kollektion an, es wurden einige Polaroids gemacht, und der Casting-Director bat mich, ein paar Mal im Zimmer hin und her zu laufen. Dann überflog er im Schnelldurchgang mein Buch, klappte es wieder zu und sagte: » Vielen Dank!«
Das war’s!
Trotz dieses Rückschlags gab ich aber die Hoffnung nicht auf, dass der Anruf in den folgenden Tagen doch noch kommen könnte. Zu der Zeit war nämlich Lars Burmeister – ein Deutscher und eines der erfolgreichsten männlichen Models überhaupt – super angesagt in Mailand, und ich glaubte, wenn ich mich nur hart genug anstrengen und meinen besten Blue-Steel-Blick aufsetzen würde, vielleicht ein bisschen auszusehen wie er. Ich meine, warum nicht? Lars war seit zwei Jahren das Gesicht von Acqua Di Gio, dem meistverkauften Herrenparfüm der Welt, und vielleicht suchte Armani für seine nächste Kampagne ja wieder ein Model mit der typisch preußischen Strenge im Look. Nun ja, seine Leute haben sich nie mehr gemeldet. Richtig traurig war ich aber nicht deswegen. Immerhin hatte ich jetzt seine heiligen Hallen von innen gesehen und buchte diese Erfahrung als ebensolche ab. Anstatt Trübsal zu blasen, sagte ich mir einfach: Auf ins nächste Abenteuer!
Ein Wechselbad der Gefühle
Wenn man sich überlegt, dass ich ohne einen Masterplan nach Mailand gekommen war, lief es doch ziemlich gut für mich. Aus den geplanten drei bis vier Wochen, um erste internationale Modelluft zu schnuppern, wurden am Ende fast zwei Monate. Wer hätte das gedacht?
Modemäßig ist das Jahr saisonal in Herbst/Winter und Frühjahr/Sommer gegliedert. Die Männerkollektionen für die Herbst/Winter-Saison werden immer im Januar präsentiert und die der Frühjahr/Sommer-Saison entsprechend ein halbes Jahr später im Juni.
Als Model fliegst du in dieser Zeit ständig zwischen Paris und Mailand hin und her. Zuerst geht es für die Castings eine Woche nach Paris, danach für eine Woche nach Mailand. Dann bleibst du für die Fashion Week in Mailand und fliegst für die letzten Shows wieder zurück nach Paris. Es ist ein ewiges Wechselbad der Gefühle, denn oft ändern die Kunden ihr Line-up für Paris noch auf den letzten Drücker. Wenn du zum Beispiel in Mailand viele große Shows gelaufen bist und einen kleinen Hype um dich erzeugen konntest, dann werden die Designer dich auch direkt für Paris buchen – koste es, was es wolle! Dafür werden andere, schon gebuchte Models selbst am Tag der Show wieder gestrichen.
» Mario, kommst du zur Fashion Week eigentlich wieder?«, fragte Carla, als ich meine Abschiedsrunde durch die Agentur drehte.
» Das ist ja schon in zwei Wochen!«, sagte ich mehr zu mir selbst. Von meiner Pariser Agentur hatte ich eine Einladung zur Casting-Woche erhalten, worauf ich mich schon tierisch freute, aber ob ich danach wirklich zurück nach Mailand gehen sollte?
» Ja, die Zeit verging wie im Flug, hm?«, lachte Carla.
» Ich weiß nicht so recht«, überlegte ich laut. » Wegen der Fashion Week, meine ich. Noch habe ich ja keine Laufjobs, und irgendwie finde ich Editorials auch passender für mich. Ach, keine Ahnung, Carla. Ich glaube, für die Shows in Mailand bin ich einfach nicht gut genug.«
» Es haben schon Kunden nach dir gefragt.«
» Echt, ja?«
» Ja, und zwar nicht wenige. Sie wollen wissen, ob du zur Fashion Week wieder in der Stadt bist und
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