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Mit einem Bein im Modelbusiness

Mit einem Bein im Modelbusiness

Titel: Mit einem Bein im Modelbusiness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Mario und Amend Galla
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schaute mich an. Ich erzählte weiter.
    » Wir blieben zwei Tage dort. Von unserem Schlafzimmer gelangte man direkt in einen kleinen Hinterhof. Es war schon dunkel, und mein Vater saß noch mit seinen Freunden zusammen im vorderen Teil des Hauses, um den Kampf gegen den Cachaca zu gewinnen. Ich musste schon nach zwei Runden aufgeben, sonst wäre ich wahrscheinlich an einer Alkoholvergiftung gestorben, denn was die sich da gläserweise reinkippten, oh boy, das war nichts für schwache Nerven. Ich konnte nicht schlafen, musste auch erst mal die vielen Eindrücke verarbeiten und ging in den Hinterhof, um mir kurz die Beine zu vertreten. Das Haus lag direkt am Hang, und von der Rückseite hatte man einen fantastischen Ausblick auf die Favela, in der übrigens mehr Menschen wohnten als in Eimsbüttel.«
    » Wo?«, fragte Maia nach.
    » Ah, klar. Das kannst du ja nicht wissen. Eimsbüttel ist ein Stadtteil von Hamburg. Ich wohne dort.«
    Sie nickte.
    » Ich schaute mich also um«, erzählte ich weiter, » und entdeckte eine verwinkelte Treppe, die nach oben auf eine kleine Plattform führte. Ohne großartig darüber nachzudenken, schob ich die Holztür zur Seite und blickte wenige Sekunden später in die Augen zweier zähnefletschender Dobermänner. Ich blieb bestimmt drei Minuten regungslos stehen. › Papa‹, rief ich leise, dann etwas lauter – keine Reaktion, außer dass die Hunde immer näher kamen. Ich ging langsam, sehr langsam rückwärts die Treppenstufen runter, ganz vorsichtig, ohne die Hunde aus den Augen zu lassen. Zum Glück hatte ich die Tür hinter mir nicht wieder zugeschoben. Unter mir waren noch vier Treppenstufen. Das war trotz Dunkelheit zu schaffen, dachte ich. Springen und die Tür zuschieben, bevor die Hunde sie erreichten. Ich zählte bis drei und sprang. Der Plan funktionierte, und die Dobermänner hingen schnaubend und bellend zwischen mir und der Tür und wetzten ihre Krallen.
    Aufgeregt kam mein Vater in den Hof gerannt.
    › Was ist denn hier los? Mario, alles klar?‹, rief er besorgt.
    › Ich wäre fast von zwei Bestien gefressen worden‹, schrie ich ihn aufgeregt an, während mein Herz das Adrenalin durch meine Adern pumpte.
    › Ach, die‹, lachte er und gab mir einen Klaps auf die Schulter. › Die passen doch nur aufs Haus auf. Hier wird mit Einbrechern nämlich kurzer Prozess gemacht.‹
    › Und du meinst nicht, dass mir das einer hätte sagen sollen?‹
    › Du nimmst jetzt noch einen Schluck Rum, dann ist die Welt wieder in Ordnung.‹
    Ich machte eine Pause.
    Maia legte ihr rechtes Bein über meine Decke.
    » Ich bin mir nicht so sicher, ob die Welt dort in Ordnung ist«, ich sah sie an. » Diese Armut war so extrem. Ich war zwar noch nie in Afrika oder so, aber viel schlimmer können die Verhältnisse dort auch nicht sein. Aber was weiß ich schon?«
    Ich schloss die Augen, obwohl ich gar nicht mehr müde war. Vorhin hätte ich easy einschlafen können, aber jetzt war ich hellwach. Wann musste ich noch mal am Flughafen sein morgen?
    » Ich lag früher oft auf dem Dach unseres Hauses und habe die Sterne beobachtet«, unterbrach Maia meinen Gedankengang. » Nirgendwo auf der Welt gibt es so einen ehrlichen Himmel wie in Brasilien. Das weiß ich sicher.«
    » Wie ist denn der Himmel von Mailand?«, fragte ich.
    » Nicht ehrlich.«
    Wahrscheinlich hatte sie Recht.
    » Soll ich dir sagen, was mich in der Favela unglaublich beeindruckt hat?«
    » Hm?«
    » Dass die Menschen alles mit einem geteilt haben. So arm sie auch waren, so herzensgut waren sie. Wenn sie nur noch eine Banane zu essen hatten, dann gaben sie dir die Hälfte ab, und zwar ohne zu zögern. Und ganz selbstverständlich – nicht wie in Deutschland – überließen sie dem Gast das bessere Stück. Wir sind auch über die Märkte gegangen, wo das Fleisch mitten in der Sonne offen auf einem Holztisch lag, überall Fliegen und sonstige Viecher – echt ekelhaft. Doch dann passierte etwas Erstaunliches. Diese für mich vollkommen neue Welt hatte mich so überwältigt, dass meine Gedanken ständig abschweiften und ich gar nicht mehr wahrnahm, was um mich herum passierte. Zum Glück waren mein Vater und seine beiden Freunde aus der Favela dabei, sonst … du weißt schon.«
    Maia nickte still.
    Aha, also doch ein Favela-Mädchen, dachte ich triumphierend. Ich wusste es. Ich wusste es einfach. Doch dann tat mir diese arrogante Vorstellung schon wieder leid. Sorry, Maia, entschuldigte ich mich, ohne einen Ton zu sagen, und

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