Mit einem Bein im Modelbusiness
Siehste, nur abziehen wollen die dich. Da darfst du gar nicht erst einen auf sentimental machen. Nee, nee.‹
Irgendwann hatten wir die Aktion über die Bühne gebracht und fuhren weiter. Die Stadt war ziemlich klein, und die Leute dort, oh Mann, waren voll auf diesem Hippie-Surfer-Film hängen geblieben, weswegen die Stadtgrenze auch von der Polizei kontrolliert wurde.« Aber wozu erwähnte ich das? Maia wusste das sicher selbst nur zu gut. Ob sie das Geld, das sie hier mit Modeln verdiente, nach Hause zu ihrer Familie schickte? Der kleine Junge, über den ich so wütend war, hätte ebenso gut ihr Bruder sein können. Der Gedanke machte mich traurig. Denk nicht weiter darüber nach, sagte ich mir. Erzähl ihr lieber die Geschichte zu Ende. Ich atmete tief ein. Maia hatte die Augen geschlossen. Es sah aus, als schliefe sie schon.
» Maia?«, sagte ich leise.
» Ich höre dich. Ich höre dich. Weiter! Weiter!«, murmelte sie und schob sich das Kissen zurecht.
Sie war bereits kurz vor dem Einschlafen.
» Wir fuhren genau auf den Grenzposten zu. Duppa und mein Dad blieben ganz ruhig. Ich dagegen machte mir fast in die Hosen.
› Na super!!! Scheiße, Papa, was machen wir denn jetzt?‹, rüttelte ich wild an seinem Fahrersitz. Ich meine, wenn du in Deutschland mit einer dicken Einkaufstüte Gras erwischt wirst, dann heißt es: Gute Nacht, Marie! Für einen kurzen Moment stellte ich mir einen Provinzknast im brasilianischen Niemandsland vor, und mir wurde ganz schlecht.
› Keine Sorge, Junge. Wir regeln das schon‹, hörte ich meinen Vater sagen.
Das Auto stoppte. Er hatte die Fensterscheibe bereits runtergekurbelt und sprach den Polizisten direkt an. Dann gab er Duppa ein Zeichen, der auf sein Kommando hin die Tüte mit Gras in die Luft hielt. Der Polizist begutachtete sie mit einem professionellen Blick und redete wieder mit meinem Vater. Im nächsten Moment wechselten ein paar Scheine ihren Eigentümer. Das war wirklich wie im Film.
› Alles kein Problem‹, sagte mein Vater leise vor sich hin, und wir setzten die Fahrt fort.
› Alter Verwalter, was war das denn?‹, rief ich völlig perplex nach vorne.
› Jeder bekommt seinen Anteil‹, lachte Duppa. › Sogar die Polizei. So funktioniert das hier.‹
Auch die nächsten Tage waren superlustig. Die beiden waren ständig stoned. Eines Abends hatten sie sich eine Pizza in den Ofen geschoben und es nicht auf die Reihe bekommen, sie vernünftig zu essen. Andauernd ist sie ihnen aus den Fingern geglitten, bis sie irgendwann total verpeilt mit pizzaverschmierten Händen auf dem Küchenboden hockten und einen Lachflash nach dem anderen bekamen.
› Was ist denn mit euch los?‹, grinste ich hocherfreut über dieses unerwartete Abendprogramm. › Ihr seid ja wie Kinder, ey!‹
Da drehte sich Duppa zu mir um und sagte in seinem geilen norddeutschen Dialekt: ›Ooohhh, is auch so ’n gäiles Zoich, ey.‹
Am nächsten Morgen kam mein Vater zu mir.
› Sag das ja nicht deiner Mutter. Das darf sie niemals erfahren. Hörst du! Ich bekomme einen Riesenärger!‹
› ,Ja, Vaddi, mach dir keine Sorgen. Aber unter uns: Mama weiß sowieso, was los ist. Hast du vergessen, was ihr Job ist?‹
» Was ist denn ihr Job?«, fragte Maia nach.
» Drogenfahnderin.«
» Nein!«, stieß sie überrascht aus und fasste sich an die Stirn.
Ich nickte grinsend. Das war auch wirklich zu lustig.
» So eine geile Zeit! Unbezahlbar. Wirklich! Wir haben lange geschlafen, mittags ging es runter ans Meer, am Nachmittag wurde gechillt, und abends fuhren wir, nur mit kurzer Hose und Sonnenbrille bekleidet, mit dem Strandbuggy in die Stadt, um Party zu machen. Ist das nicht krass, wenn man so etwas mit seinem eigenen Vater erleben kann? Oh, ich weiß noch, wie er eines Morgens auf die Idee kam, eine Wanderung durch den Dschungel zu machen. Wir marschierten bestimmt vier oder fünf Kilometer durch den dicksten Urwald – ich kam mir vor wie Indiana Jones –, als er plötzlich stehen blieb und sich einmal im Kreis drehte: › In zwei Minuten sind wir da.‹
› Sind wir wo?‹
› Im Freibad.‹
Wie aus dem Nichts tauchte auf einmal ein kleiner See mit einem traumhaften Wasserfall vor uns auf, in dem man auch noch richtig geil baden konnte. Ich feuerte meine Orthese ins Gebüsch, hüpfte wie ein einbeiniger Frosch ans Ufer und tauchte ab. Es war unbeschreiblich. Ich hatte die schönsten Glücksgefühle, die man sich vorstellen kann. Meinen Vater mit seinem atzigen Sonnenhut und der
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