Mit einem Bein im Modelbusiness
nämlich wieder ein Monat Paris auf dem Plan.
Lea hatte Semesterferien, und da kam ich auf die Idee, meinen Job und ihren Urlaub miteinander zu verbinden. In den ersten drei Wochen zog ich durch die Stadt und klapperte die wichtigsten Kunden ab.
Ich wollte einfach ein bisschen Präsenz zeigen – auch um meiner Agentur zu signalisieren, dass ich am Start war und es wirklich ernst meinte. Es lief auch ganz okay. Ich bekam einige Kataloge und vier Editorials – eins für Tiempo, zwei für The Amuser und eins für den Monsieur, eines der coolsten französischen Herrenmagazine. Ihr Claim sagt schon alles: Monsieur, le magazine de l’Homme élégant – Mode, accessoires, beauté, luxe.
Das Monsieur -Shooting war mein absolutes Highlight. Erstens bekam ich 800 Euro im Voraus cash auf die Kralle, was für ein Editorial ziemlich gut ist, und zweitens fand die ganze Aktion in einer hammermäßigen Burg in der Nähe von Orléans statt. Wir wohnten dort zwei Tage, hatten einen eigenen Koch, tranken abends mit dem Burgherrn teuren Brandy am flackernden Kamin und fuhren tagsüber mit zwei dicken Range Rovers und einem Rudel Jagdhunden durch das riesige Anwesen, auf dem sich ein privater Wald und ein zauberhafter See befanden. Die Kulisse war so malerisch, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn auch noch James Bond durchs Bild spaziert wäre. Das Team war supernett und extrem davon beeindruckt, wie ich meinen Modeltraum trotz Orthese durchzog. Sie unterstützten mich, so gut es ging. Als sich mal wieder einer der rechten Stiefel nicht richtig schließen ließ, meinte der Fotograf nur: » Kein Drama, Mario. Ich retuschiere das später mit Photoshop weg. Pas de problème.« Derbe korrekt!
In der letzten Woche kam Lea dazu. Sie wohnte mit mir in der WG , was eigentlich von den Agenturen nicht so gern gesehen wird. Da ich während des ganzen Monats aber ohnehin das einzige Model war, machte das keine Probleme, und wir konnten die gesparte Kohle für die schönen Dinge des Lebens ausgeben. Bien sûr! Schließlich waren wir in Paris – la ville de l’amour.
Bei unserer gemeinsamen Rückkehr in Hamburg checkte ich am Flughafen wie immer den internationalen Pressestand nach neuen Magazinen ab. Lea blieb mit den Koffern vor dem Laden. Ich wollte sie nicht zu lange warten lassen und scannte nur schnell über die Cover, ob ich einen meiner Mailänder Kumpels irgendwo entdeckte. Dann sah ich mich auf dem Titel der MOOD Europe und bekam kaum noch Luft. Das hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Wie krass! Ich nahm alle sieben Exemplare aus dem Regal und ging damit zur Kasse. Ein Heft kostete zwar 9 Euro, aber das war es mir wert. Damn, war ich stolz. Lea blätterte sofort zu meinen Fotos und umarmte mich zärtlich.
» Soso, das machst du also, wenn du mal keine fremden Mädchen in deinem Bett schlafen lässt«, säuselte sie mir liebevoll ins Ohr, bevor wir eng umschlungen runter zur S-Bahn schlenderten.
Modelalltag: Verlockungen und Enttäuschungen
Wenn man im Januar wichtige Castings hat, dann ist die Weihnachtszeit so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann. Überall in der Stadt duftet es nach zuckrigen Leckereien, deine Clique verabredet sich zum täglichen Glühweintrinken auf dem Weihnachtsmarkt, und deine Freundin kommt auch noch auf die Idee, deine Lieblingsplätzchen zu backen.
Trotzdem hielt ich heldenhaft durch. Selbst den legendären Gänsebraten meiner Mutter rührte ich an Heiligabend nicht an, obwohl ich da schon extrem hart mit meinem inneren Schweinehund zu kämpfen hatte.
» Junge, so schmal siehst du aus«, kniff mir meine Oma sorgenvoll in die Wangen. » Nie isst du was. Komm, wenigstens eine kleine Portion!«
Und zack lagen 1500 Kalorien auf meinem Teller. Mama grinste nur. Sie wusste, dass ich es nicht anrühren würde, obwohl die Versuchung unendlich groß war.
» Oma, hast du eine Vorstellung davon, was es bedeutet, während der Pariser Modewoche für Jean Paul Gaultier zu laufen? Natürlich nicht. Woher auch? Das ist einfach das Größte. Ich kann den Braten nicht essen. So gerne ich auch würde.«
Sie schüttelte nur verständnislos den Kopf.
» Mir schmeckt aber das Gemüse ohne Bratensoße auch sehr gut«, log ich und gab ihr einen dicken Kuss.
» Gudrun, irgendwas ist mit deinem Sohn nicht in Ordnung«, schimpfte sie mit meiner Mutter. » Schick ihn besser mal zum Arzt. Gemüse an Heiligabend! So was Verrücktes aber auch!«
» Genau, Oma!«, lachte ich. »
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