Mit einem Bein im Modelbusiness
der Vogue doch bitte mal vorsprechen, oder habt ihr da keine Kontakte? Soll ich wirklich nach Hause fahren und sagen: Leute, stellt euch vor: Meine Agentur in Mailand hat es nicht gebacken bekommen, mir einen Termin bei der Vogue zu organisieren!«
» Mario, was denkst du dir eigentlich?«, sagte Carla mit einem süffisanten Unterton in ihrer Stimme. » Bist du ein Superstar wie Zidane?«
» Nein, aber …«
» Oder bist du ein Schauspieler? Kommst du aus Hollywood? Bist du Matthew McConaughey?«
» Carla, worauf willst du hinaus?«
» Mario, darling, die Vogue ist für Leute wie George Clooney und Johnny Depp. Die buchen keine normalen Models, oder lautet dein Name Kate Moss?«
» Jaja, das weiß ich alles. So naiv bin ich nun auch wieder nicht. Um Gottes willen, mir geht es doch nicht ums Cover! Ich will denen einfach nur sagen, dass es mich gibt und dass ich ein netter Typ bin. Einfach nur so, verstehst du? Man weiß ja nie!«
» Okay, Mario. Ich ruf dich zurück!«
» Wann?«
» Später!«
Ich wartete und wartete, und nichts geschah. Am Abend rief ich sie dann auf ihrem Handy an.
» Carla, du wolltest dich doch melden! Was ist jetzt mit der Vogue?«
» Ah ja, genau. Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie würden dich auch morgen treffen wollen, aber die Uhrzeit steht noch nicht ganz fest.«
» Na, das ist doch super«, meinte ich euphorisch. » Geht doch!«
» Ja, hätte ich auch nicht gedacht, dass das so schnell klappt. Also, ich schlage vor, ich schreibe dir morgen früh eine Mail, sobald ich News habe, okay?«
» Okay. Danke, Carla. Hast du gut gemacht!«
» Buona notte, Mario.«
Ausgebremst
Für den nächsten Morgen stellte ich mir den Wecker extra früh auf halb sieben. Bis ins Zentrum brauchte ich etwa eine Stunde. Ich dachte mir, dass die Chefredakteurin der Vogue, oder wer auch immer mich empfangen würde, theoretisch ab 9 Uhr im Büro sitzen könnte, und wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Ich saß in der Küche, aß mein Müsli und wartete. Um mir die Zeit zu vertreiben, klatschte ich mir eine ordentliche Ladung Skin Care ins Gesicht, um später auch ja fresh auszusehen. Das Zeug war von Dejan, mit dem ich mir ohnehin alles teilte. Wie mit den anderen auch. Wenn einer von uns bei einem Shooting neue Pflegeprodukte für die Haare oder die Haut abstauben konnte, wurde das nicht im Zimmer gebunkert, sondern kam ins Bad und durfte von jedem benutzt werden. Zwei Stunden lang lief ich aufgeregt, mit der Crème im Gesicht, durch die Wohnung und aktualisierte alle zwei Minuten meinen Mail-Account. Keine neuen Nachrichten. Verdammt!
Als es 11 Uhr wurde, wollte ich nicht länger warten und rief in der Agentur an.
» Carla, was ist los?«
» Was meinst du, Mario?«
» Wann soll ich denn jetzt zur Vogue? Ich sitze hier wie ein Trottel, und keiner meldet sich bei mir. Kein Anruf, keine Mail, nichts! Habe ich heute ein Date mit denen oder nicht?«
» Ja, hast du!«, antwortete Carla völlig entspannt.
» Und wann?«
Ich hörte, wie sie durch ihre Zettel wühlte.
» Vor genau eineinhalb Stunden solltest du da sein«, sagte sie schließlich. » Dein Termin war um 9.30 Uhr.«
» Du verarschst mich jetzt, oder? Bitte sag mir, dass du mich verarschst!«
» Wieso?«, murmelte sie gelangweilt ins Telefon. » Du hast doch gestern alle Infos von mir bekommen.«
» Nein, hab ich nicht!«
» Ach so?«, tat sie scheinheilig.
Ich glaubte zu hören, dass sie gemütlich an ihrem Kaffee schlürfte, und bekam fast einen Wutanfall. Das konnte doch gar nicht wahr sein!
» Auf jeden Fall richtig korrekt von dir, dass du mir nicht Bescheid gegeben hast. Du hast doch gewusst, wie wichtig mir das ist. Scheiße!«
» Sorry, Mario! Anscheinend habe ich da irgendwas durcheinandergebracht.«
» Fuck! Fuck! Fuck!«, stöhnte ich. » Das kommt jetzt richtig professionell, dort drei oder vier Stunden zu spät aufzuschlagen. Hammer! Echt, ey! Richtig geil!«
» Noch einmal: Sorry!«
» Ja, super! Davon kann ich mir jetzt auch nichts kaufen. Ciao!«
Da saß ich nun mit meinem blöden Skin Care im Gesicht. Aber ich wollte es trotzdem noch durchziehen, es wenigstens versuchen. Ich wischte mir hastig das Zeug runter, sprintete zur U-Bahn und stand fünfundvierzig Minuten später in der Redaktion der L’Uomo Vogue. Ich weiß nicht genau, welche Position meine Ansprechpartnerin hatte, aber sie besaß ein eigenes Büro, und das war nicht gerade klein. Auf jeden Fall kam es, wie es kommen musste, und ich trudelte
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