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Mit einem Fuß im Himmel

Mit einem Fuß im Himmel

Titel: Mit einem Fuß im Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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Ursache zu begreifen, wieder mit schwankender Stimme. »Ist es denn so schlimm, wenn ich ein ganz klein bißchen Hunger habe?!«
    Therese gab ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn, wenn nicht glücklicherweise hinter ihm ein Sessel gestanden und ihn aufgefangen hätte, glatt zu Boden geworfen haben würde. »Du Wüstling!« schrie sie auf. »Du Säufer! Du... du...!« Sie fand keine Worte mehr, <äie den Tiefstand seiner moralischen Verkommenheit treffend hätten bezeichnen können, sie drehte sich um, stolperte ins Schlafzimmer zurück, knallte die Türe ins Schloß und drehte den Schlüssel energisch zweimal um.
    Oskar blieb bewegungslos in dem Sessel sitzen, der seinen jähen Sturz auf gehalten hatte, und starrte ihr völlig verwirrt und mit glasigen Augen nach.
    Therese aber liefen die Tränen über die Wangen, immer wieder schluchzte sie hysterisch auf. Aber sie hatte keine Zeit, sich ihrem Schmerz hinzugeben. Sie suchte einen Bogen Papier, sie fand auch einen Bleistiftstummel in der Nachttischschublade, sie schlüpfte ins Bett und begann, ein dickes Buch als Unterlage verwendend, einen Brief zu schreiben, einen Brief an Tante Hedwig. Diesmal aber war sie gut im Zuge, sie würde ihn bestimmt nicht wieder zerreißen.

IX

    Der rasselnde Wecker riß Liselotte Klaus aus verworrenen unruhigen Träumen. Sie fuhr auf, und während sie langsam zum vollen Bewußtsein kam, stiegen auch die Erinnerungen an den vergangenen Abend in ihr auf. Diese erfüllten sie mit Unbehagen.
    Was in Kuckucks Namen hatte sie bloß bewogen, mit Oskar Hähnlein auszugehen? Mehr als drei Jahre schon arbeitete sie nun bei ihm, und bisher hatte sie es doch immer verstanden, seinen Einladungen und Liebesbeteuerungen auszuweichen. Wie war das gestern nur gekommen? Und weshalb hatte sie mit Hein Grotius geflirtet, diesem unzuverlässigen Don Juan, der ohnedies eingebildet genug war? Wahrscheinlich hatte sie sich so aufgeführt, daß beide nun glauben mußten, sie sei in sie verliebt. Gott, wie hatte das nur passieren können!
    Mit Entsetzen dachte sie daran, daß auch ihr sympathischer Kunde vielleicht gespürt haben mochte, daß er ihr nicht ganz gleichgültig war, sie hatte es ihm ja deutlich genug zu verstehen gegeben, mit Blicken, mit Worten und mit verheißungsvollem Lächeln. Sie war sogar wütend und enttäuscht gewesen, daß er nie darauf eingegangen war! Aber hatte er nicht seine Braut, der sie nicht das Wasser reichen konnte? Sympathisch war ihr diese Gabriele Görner freilich immer noch nicht, aber sie sah reizend aus, das mußte ihr der Neid lassen. Und sie, Liselotte, hatte nicht gezögert, hinter diesem Mann herzulaufen — anders konnte man ihr Verhalten beim besten Willen nicht bezeichnen —, sie war nicht einmal davor zurückgeschreckt, an Tante Hedwig zu schreiben und dieser wildfremden Person ihr Herz auszuschütten. Oh, peinlich, peinlich, peinlich!
    Liselotte errötete tief, obwohl kein Fremder in der Nähe war, vor dem sie sich hätte zu schämen brauchen, aber sie schämte sich vor sich selber.
    Wie eine dumme Gans hatte sie sich benommen, und das mit ihren dreißig Jahren! Ja, wenn sie noch ein Backfisch gewesen wäre, ein unerfahrenes kleines Mädchen, dann wäre alles zu verzeihen und zu verstehen gewesen. Aber so?
    Es war entsetzlich und schrecklich. Und das Schlimmste war, daß sie jetzt auf stehen und nach der Reinigung ihrer Wohnung, ins Geschäft gehen mußte. Wie sollte sie Oskar Hähnlein jedoch wieder unter die Augen treten, wie Gabrieles Bräutigam und wie Hein Grotius? Und jäh kam ihr auch noch die Erinnerung daran, Hein Grotius noch für heute zu einem Reibekuchenessen eingeladen zu haben. Gott, sie mußte wahrhaftig nicht mehr zurechnungsfähig sein!
    Vielleicht vergaß er es! Doch wie sie Hein Grotius kannte, war das kaum anzunehmen. Eine Gratismahlzeit würde er gewiß nicht auslassen.
    Am liebsten hätte sich Liselotte in ein Mauseloch verkrochen, oder wenigstens die Bettdecke über den Kopf gezogen und sich selber und die ganze Welt vergessen! Aber das ging nicht an, der erwachende Tag forderte sein Recht.
    So stieg sie dann aus dem Bett. Sie fühlte sich müde und zerschlagen. Natürlich hatte sie auch viel zuwenig Schlaf gehabt. Sie hatte einen schrecklichen Geschmack im Munde, der Kopf schmerzte zum Zerspringen, und in ihrer Seele herrschte Düsternis.
    Wenn Liselotte erfahrener gewesen wäre, hätte sie sich damit beruhigen können, daß sie einen ausgewachsenen Katzenjammer hatte. Sie hätte

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