Mit einem Kuss find alles an ...
schließlich hinter den Büschen am Wegesrand.
So weit, so gut …
Im Nu erreichte sie den Ortsrand. Der Schnee glitzerte in der Mittagssonne, die angenehm wärmte und die Tage bereits länger werden ließ. Der Frühling lag in der Luft und hob Lucys Stimmung. Nun brauchte sie nur noch die alte Villa ihres Großvaters zu finden, ohne dass jemand sie bemerkte.
Eine törichte Hoffnung, selbst wenn sie nicht die Principessa und der neue Liebling des ganzen Dorfes gewesen wäre. Denn an diesem Tag waren sämtliche Einwohner auf den Beinen, um einen Blick auf die Braut zu erhaschen. Die Straßen platzten förmlich aus allen Nähten vor Lieferwagen von Floristen und Caterern. Es wimmelte nur so von Reportern auf der Jagd nach der unglaublichen Story über Lucys märchenhafte Verwandlung vom Aschenputtel zur schönen Prinzessin . Auch internationale Paparazzi hatten sich in großer Zahl eingefunden und lagen mit ihren Kameras auf der Lauer, um Schnappschüsse zu ergattern von allem, was Rang und Namen hatte. Insiderinformationen zufolge sollten nämlich äußerst illustre Hochzeitsgäste in der Villa d‘Este abgestiegen sein, dem berühmten Grand Hotel, das extra für dieses gesellschaftlich bedeutsame Ereignis die Pforten außerhalb der Saison geöffnet hatte.
„La Principessa!“ , hallte es plötzlich durch die Straße.
Unwillkürlich zog Lucy den Kopf ein und tauchte mit pochendem Herzen in einem schmalen Durchgang zwischen zwei alten Häusern unter.
Eine weißhaarige Alte mit gütigen Augen fegte den Hinterhof am Ende des Torwegs. „Bambina?“
Lucy erkannte die Frau und suchte fieberhaft nach der italienischen Bezeichnung. „Bambinaia?“
„Sì, sì“, bestätigte Annunziata und ließ den Besen mit lautem Klappern fallen. Sie plapperte aufgeregt auf Italienisch, umarmte Lucy, hob Chloe aus dem Kinderwagen und brachte sie in ihre winzige Küche.
Die alte Kinderfrau sprach kein Wort Englisch, aber die Bitte, die Lucy vorzubringen hatte, bedurfte keiner Übersetzung. „Giuseppe Ferrazzi?“
Mit starrem Blick zögerte die alte Frau unendliche Minuten.
„Per favore!“
Schließlich seufzte Annunziata und nickte widerstrebend.
Lucy ließ den Kinderwagen stehen und hielt Chloe fest an die Brust gedrückt, während sie der Alten folgte, die durch ein verworrenes Netz aus schmalen Passagen zwischen den engen Gassen des Dorfes huschte.
Plötzlich blieb Annunziata stehen und deutete mit zitternder Hand zu einem Gebäude.
„Molto grazie.“ Lucy küsste die alte Kinderfrau auf beide Wangen, eilte mit klopfendem Herzen, aber hoffnungsfroh zu der baufälligen Villa und dachte: Ich habe es geschafft!
Endlich konnte sie mit ihrem Großvater reden und sich seine Version anhören. Sicherlich waren selbst zwei stolze Männer, die beide so viel verloren hatten, dazu fähig, Frieden miteinander zu schließen.
„Jetzt lernst du deinen Urgroßvater kennen“, sagte sie zu Chloe und klopfte an die Tür. „Jetzt wird alles gut, du wirst schon sehen.“
Doch es sollte alles ganz anders kommen. Kaum eine Stunde später starrte Lucy den alten Mann schockiert an und registrierte kaum, dass Chloe in ihren Armen weinte und der Tee unberührt auf dem Tisch stand.
Vergeblich versuchte Lucy zu begreifen, was sie soeben erfahren hatte. „Nein“, flüsterte sie fassungslos, „das hat Massimo nicht getan. Er wäre dazu gar nicht fähig.“
Ihr Großvater umklammerte die abgenutzten vergoldeten Armlehnen seines antiken Sessels. „Es ist aber wahr“, versicherte er mit rauer Stimme auf Englisch, jedoch mit ausgeprägtem italienischen Akzent. „Du siehst also, warum du mir helfen musst, ihn zu vernichten.“
„Ihn vernichten?“, wiederholte sie betroffen. Sie dachte an die Güte und Großzügigkeit, die sie so oft von Massimo erfahren hatte. Ihr kam in den Sinn, wie er sie in Chicago vor Darryl gerettet, in Rom bei der Unterredung mit Alexander unterstützt und getröstet, über eine Blumenwiese getragen und unter der heißen Sonne Siziliens liebkost hatte.
Die Erinnerungen versetzten ihr einen Stich im Herzen.
War das alles entgegen ihrer Hoffnung nicht aus einer verborgenen Herzenswärme geschehen, sondern in dem Bestreben, eine teuflische Schuld zu sühnen?
Plötzlich drang das Weinen ihrer Tochter in ihr Bewusstsein vor. „Scht, Baby, scht.“ Sie drückte Chloe an sich, wiegte sie in den Armen, sog tief den lieblichen Babygeruch ein.
Das Kind ließ sich schnell aufmuntern. Doch wer konnte Lucy je wieder
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