Mit einem Kuss find alles an ...
Schatten auf ihr Gesicht werfen.
Noch an diesem Vormittag war ihm alles in bester Ordnung erschienen. Deutlich erinnerte er sich an die Belustigung und Wärme in ihrer Stimme, als sie ihn durch die verschlossene Tür weggeschickt hatte. Was konnte sich seitdem schon groß geändert haben?
Erst in diesem Moment gewahrte er den alten Mann, der wie ein Geist dicht hinter ihr aufragte.
Giuseppe Ferrazzi.
Hass durchströmte Massimo und ließ ihn reglos erstarren.
Wie war es Ferrazzi gelungen, sie zu kontaktieren? Trotz ihres Bodyguards, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen?
Sie schritten den Mittelgang entlang. Die geladenen Gäste nahmen wieder Platz. Das anerkennende Raunen über die atemberaubende Schönheit der Braut hielt an. Noch ahnte das erlauchte Publikum nicht, welch eklatanter Szene es Zeuge werden sollte.
Aber die einfachen Dorfbewohner, die sich zusammengedrängt ganz hinten in der Kapelle aufhielten, wussten davon. Es stand ihnen in die gespannten Gesichter, in die verblüfft aufgerissenen Augen geschrieben. Amelia, mit der schlummernden Chloe auf dem Arm, war weiß wie Schnee.
Was ist nur geschehen?
Es gab nur eine einzige Erklärung.
Lucy hatte ihm getrotzt, seine Anordnungen missachtet, hinter seinem Rücken den alten Mann aufgesucht und damit alles aufs Spiel gesetzt.
Diese Erkenntnis führte zu einer entscheidenden Frage: Was hatte Ferrazzi ihr erzählt?
Endlich trat Lucy vor den Altar. Massimo forschte in ihrem wunderschönen Gesicht, und als sie ihn anblickte, bekam er seine Antwort.
Alles hatte Ferrazzi ihr erzählt.
Jeglicher Glanz, jegliches Leuchten war aus ihren ausdrucksvollen braunen Augen verschwunden. Nun erst, als es fort war, wurde ihm bewusst, dass es dieses Strahlen war, das sein Herz erwärmte – schon seit dem Tag, an dem er sie aus der Tankstelle in Chicago geholt und gezwungen hatte, seine Braut zu werden.
Er hatte sie retten wollen. Stattdessen war er von ihr gerettet worden, aus einem trostlosen kalten Leben der Schuldgefühle, Rachegelüste und oberflächlichen Vergnügungen.
Warum hat sie mit Ferrazzi gesprochen – ausgerechnet heute? Warum, wenn wir so glücklich hätten sein können?
„Warum hast du es getan?“, fragte er leise, allein für ihre Ohren bestimmt. „Warum hast du dich mir widersetzt?“
Sie mied seinen Blick erneut. „Weil ich dich geliebt habe.“ Ihre Stimme klang hohl.
Wieso benutzte sie die Vergangenheitsform?
Der Priester begann mit der Zeremonie, sprach zuerst auf Italienisch und danach auf Englisch.
Massimo ignorierte die feierlichen Worte ebenso wie die achtzig Gäste, die der Zeremonie beiwohnten. Er nahm seine Braut bei den Schultern, musterte prüfend ihr Gesicht und entdeckte Tränenspuren. „Lucy?“
Trotzig starrte sie zu den dunklen Fenstern der Kapelle.
Er wollte sie – nicht nur ihren Körper, sondern ihr ganzes Wesen – auf eine Weise, die ihm den Atem raubte. Sie sollte ihn wieder so glücklich und zärtlich anstrahlen wie noch am Vortag. „Lucy, schau mich an.“
„Nein.“ Warmer Kerzenschein flackerte auf ihrem kalten unbewegten Gesicht.
„Sieh mich gefälligst an!“, verlangte er.
„Warum?“, rief sie. „Damit du deinen Charme versprühen kannst, um mich vergessen zu machen, dass du mich als Baby gekidnappt hast? Dass du meine Eltern ermordet hast?“
In der Kapelle herrschte plötzlich Grabesstille. Nur von draußen, von fern war zu hören, wie Wasser von den schmelzenden Eiszapfen am Dach tropfte und der Wind über den nahen See heulte.
Giuseppe Ferrazzi hielt die wässrigen runden Augen voller Zorn auf Massimo gerichtet. Für ihn war nun der Moment der finalen Rache gekommen. Den todkranken alten Mann kümmerte es nicht, wessen Dasein er ruinierte, selbst das seiner Enkelin verschonte er nicht. Wenn er sein altes Leben mit seiner Machtposition, dem riesigen Vermögen und der angesehenen Familie nicht zurückbekommen konnte, dann wollte er Vergeltung um jeden Preis.
Genau so hatte Massimo empfunden, bevor seine Liebe zu Lucy erwacht war. „Cara, per favore.“ Er verstärkte den Griff um ihre Schulter. „Ich möchte einen Moment allein mit dir sprechen.“
„Nein“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. Sie schüttelte seine Hand ab. „Du hast mich belogen. Die ganze Zeit über habe ich gespürt – ja sogar gewusst, dass du nicht grundlos so nett und großzügig zu mir bist.“ Tränen flossen über ihre Wangen. „Es ist mir nur nicht in den Sinn gekommen, dass Schuldgefühle der
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