Mit einem Kuss find alles an ...
entfachte Massimo das Feuer der Leidenschaft in Lucy. Einmal geschah es sogar mitten am Nachmittag, als er sie zufällig allein im Flur antraf und in eine unbenutzte Bibliothek zog. Stürmisch vereinigte er sich mit ihr, an eine Bücherwand mit ledergebundenen Werken italienischer Philosophen gelehnt.
Allein die Erinnerung daran sandte eine Woge der Hitze durch ihren gesamten Körper. Und Lucy wusste, dass sie nie wieder so nüchtern wie bisher an Machiavelli oder Petrarca denken konnte.
Es wunderte sie gar nicht, dass ihr Ehemann allmählich ungeduldig wurde. Ihr erging es nicht anders. Denn das letzte Liebesspiel lag bereits über zehn Stunden zurück.
Doch sie hielt ihn aus einem guten Grund auf Distanz, der nichts mit abergläubischen Hochzeitsritualen zu tun hatte.
Vielmehr war es ihre letzte Chance, sich vor der Trauung davonzuschleichen. Die letzte Gelegenheit, mit Giuseppe Ferrazzi zu sprechen und seine Version der damaligen Ereignisse zu hören, damit sie ihn reinen Gewissens zur Feier einladen konnte. Da sie davon überzeugt war, dass die Fehde auf einem Missverständnis beruhte, schreckte sie nicht mehr davor zurück, eine Begegnung der beiden Männer in aller Öffentlichkeit zu erzwingen. Ganz gewiss gäbe Massimo sich vor den Augen der geladenen Gäste nicht die Blöße einer entwürdigenden Szene. Ihm bliebe keine andere Wahl, als seinen Erzfeind anzuhören, und wenn es nur wenige Momente wären.
Damit könnte sie den Streit zwischen den beiden Männern schlichten. Sie wollte ihren Großvater vor Armut und Einsamkeit bewahren und gleichzeitig die Seele des Mannes retten, den sie liebte.
Wenn Massimo auch keine tiefen Gefühle für sie selbst zu entwickeln vermochte, befähigte es ihn vielleicht eines Tages, überhaupt zu lieben. Die Vorstellung von ihm mit einer anderen Frau machte ihr das Herz unendlich schwer, aber sein Glück ging ihr über alles.
Das Hämmern an der Tür verstärkte sich. „Hab Erbarmen! Ich bin auch nur ein Mann!“
„Geh weg!“, rief sie schroff, mit einem dicken Kloß in der Kehle. „Es ist zu deinem eigenen Besten!“
Unter lautem Gemurre auf Italienisch stapfte er mit schweren Schritten davon.
Lucy atmete auf, straffte die Schultern und schlüpfte in einen Mantel. Schnell holte sie Chloe, die gerade Mittagsschläfchen hielt, aus der Wiege im Kinderzimmer und wickelte sie behutsam in eine warme Decke.
Mit ihrer Tochter auf dem Arm huschte Lucy auf Zehenspitzen an der ausladenden Küche vorbei, in der Ermanno gerade eine riesige Portion Pasta verschlang. Wegen seiner enormen Größe und der hundertfünfzig Kilo, die überwiegend aus Muskelmasse bestanden, verbrachte er zumeist eine ganze Stunde mit dem Mittagessen. Zum Glück, denn er war vor Kurzem trotz ihres heftigen Protestes von Massimo zu ihrem Bodyguard ernannt worden.
Ebenso war es ein Glücksfall, dass Georgina Stewart, die Hochzeitsplanerin, Lucy ein Schönheitsschläfchen verordnet hatte, „um das jugendliche Leuchten Ihrer Haut wiederherzustellen“. Aus diesem Grund war das gesamte Hauspersonal angewiesen, die Braut und ihr Baby ungestört ruhen zu lassen.
Nun drückte Lucy sich selbst die Daumen und betete, dass es ihr gelang, die Mission erfolgreich zu Ende zu führen, bevor ihr jemand auf die Schliche kam.
Es war ein gefährliches Vorhaben. Mit Giuseppe zu reden, stellte einen eindeutigen Verstoß gegen den Ehevertrag dar, der dazu führen konnte, dass sie mit ihrer Tochter völlig mittellos dastand, falls Massimo die Ehe annullieren ließ.
Trotzdem musste sie das Risiko eingehen. Sie wollte nicht zwischen ihrem Ehemann und ihrem Großvater wählen müssen. Sie konnte nicht glücklich und zufrieden mit Chloe im Luxus leben, während der arme alte Mann nur eine Meile entfernt einsam und verlassen litt. Genauso wenig konnte sie zulassen, dass Massimo sein Leben lang von Kummer, Rachegelüsten und Schuldgefühlen gequält wurde.
Nicht, wenn es in ihrer Macht stand, alles in Ordnung zu bringen. Sie war entschlossen, die Menschen zu schützen, die sie liebte – sogar vor sich selbst.
Massimo hatte ein gutes Herz. Das wusste sie mit Sicherheit. Das bewies er ihr immer wieder, wenn er ohne Eigennutz liebevoll zu ihr und Chloe war.
Mit ihrer Tochter im Kinderwagen eilte sie durch die weitläufigen Gärten der Villa. Sie wartete, bis der Wächter am Hintertor ihr gerade den Rücken zudrehte, um mit einer hübschen jungen Reporterin zu flirten, die hinter dem Anwesen herumlungerte, und verschwand
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