Mit einem Pferd durch dick und dünn
Napfkuchen aus.
„Hm — zu klein. Noch ein paar Krümel, damit wir die Ritze verstopfen können.“
„Reicht das?“
„He, drück nicht so, der kriegt ja eine Delle!“
„Beeilt euch!“ drängelte Bettina. „Wir haben nur noch eine knappe halbe Stunde.“
„ Zuckerguß fertig?“
„Hier.“
Vorsichtig trug Simon den dickflüssigen Guß auf das häßlich hervorstehende braune Kuchenteil auf.
„Es schimmert immer noch durch. Hoffentlich reicht er.“
„Und was machen wir mit der Verzierung? Wir haben doch keine Blumen und Blätter aus Marzipan — und für die Schnörkel ist der Zuckerguß viel zu flüssig!“ jammerte Bille.
„Die Blätter können wir aus Papier nachmachen und mit Tuschfarbe bemalen, aber wie kriegen wir so ’ne Blume hin?“ überlegte Bettina.
„Fangen wir mit den Blättern an, für die Blume fällt uns dann schon noch was ein“, ordnete Simon an. „Los, holt Papier und Tuschfarben!“
Bille, Bettina und Florian stürmten davon. Auf der Treppe hielt Bille plötzlich an.
„Ich weiß, was wir machen können! Statt der Blume nehmen wir eine Schleife. Ich hab noch eine zartrosa Seidenschleife von einer Konfektschachtel .“
„Das ist die Idee! Los, hol sie, wir kümmern uns um das andere.“
Während Bille die Schleife suchte, schnippelte Bettina drei Blätter aus weißem Briefpapier, mischte im Tuschkasten ein zartes Hellgrün und trug es auf. Dann wurde die Schleife mit einer langen Nadel in die Torte gepikt und mit den Blättern umgeben.
„Hm — schon ganz nett. Aber die weißen Zuckerschnörkel fehlen“, stellte Simon stirnrunzelnd fest.
„Halt, ich hab’s!“ jubelte Florian und raste aus der Küche. Man hörte ihn die Treppe hinaufspringen, oben klappte eine Tür, Sekunden später war er wieder da.
„Bin schnell übers Treppengeländer runter“, murmelte er entschuldigend. „Hier!“
„Was— Zahnpasta?“ fragte Bille entgeistert.
„Warum nicht? Schließlich sind die Blätter aus Papier, und eine Stecknadel steckt auch drin.“
„Er hat gar nicht so unrecht“, meinte Bettina. „Warum eigentlich nicht?“
Simon und Bille sahen sich an.
„Gib her!“ Simon griff nach der Tube und drückte schwungvolle Verzierungen auf das ausgebesserte Torten stück.
„Na bitte — von weitem merkt man den Schwindel gar nicht. Einer von uns muß aufpassen, daß die Torte am anderen Ende eingeschnitten wird, klar?“
Bille kicherte. „Ich werde sagen, das Stück mit der Schleife sei für den lieben, braven Zottel reserviert!“
Tatsächlich merkte niemand den Schwindel.
Sie waren gerade noch rechtzeitig gekommen, um Mutsch und Onkel Paul mit der geschmückten Kutsche feierlich vom Rathaus zur Kirche zu fahren. In der Zwischenzeit transportierten Simon und Bettina die ungewöhnliche Hochzeitstorte zu Jansens in den Krug.
„Nein, was für ein schönes Stück!“ sagte Frau Jansen andächtig und faltete unwillkürlich die Hände. „Und die herrliche Schleife!“
Sie konnte gar nicht begreifen, daß Simon und Bettina darauf bestanden, die Torte so zu drehen, daß die Schleife möglichst wenig sichtbar war. Aber da die Kirchenglocken bereits läuteten, blieb für eine längere Diskussion ohnehin keine Zeit mehr.
Nach der Trauung versammelte sich die Gästeschar im Krug zum Essen. Bille und Bettina stellten sich wie zwei Wachtposten neben den Tisch, auf dem die Torte stand. Sie nahmen die Geschenke in Empfang und bauten sie so auf, daß sie Gelegenheit hatten, die Torte immer weiter in den Hintergrund zu schieben.
Und als das Essen vorüber war, alle Reden gehalten und Florian und Karlchen ihr Gedicht vorgetragen hatten, als Wein und Bier in Strömen geflossen waren und die Hochzeitsgesellschaft mit geröteten Gesichtern zum Lärm der Feuerwehrkapelle über die Tanzfläche walzte — da sah sowieso keiner mehr so genau hin.
Mutsch und Onkel Paul hatten das Wunderwerk gebührend gelobt und gemeinsam angeschnitten. Bille säbelte für jeden der Hochzeitsgäste ein Stück heraus, ohne auch nur in die Nähe der kritischen Stelle zu kommen.
Erst spät am Abend passierte es, daß ein Onkel aus Hannover zu der Torte schlich und sich — damit es nicht so auffiel — ein riesiges Stück aus dem rückwärtigen Teil des Kunstwerks holte. Aber er war so betrunken, daß er mit schäumendem Mund strahlend erklärte, er habe noch nie in seinem Leben eine so großartige Torte gegessen, und die Gräte, die darin versteckt gewesen sei (er meinte die Stecknadel), solle
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