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Mit einer Prise Glück und Liebe

Mit einer Prise Glück und Liebe

Titel: Mit einer Prise Glück und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B O'Neal
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wichtiger als Dinge. Die Erde ist wichtiger als der Konsum. Zeit ist kostbar und sollte respektiert werden.«
    Einen Moment lang sehe ich ihn an. Er ist wirklich genau der Mensch geworden, wie ich ihn mir all die Jahre vorgestellt habe, denke ich.
    Der Cellist spielt sein Solo. Lange, melancholische Klänge wehen herüber, als wollte er Jonahs Worte untermauern. Zeit ist kostbar . Ich betrachte seine Hände, seinen Hals. Die Celloklänge scheinen durch den Park zu schweben und sich geradewegs auf meine Brust zu legen, meine Kehle zu liebkosen. »Was ist das?«, frage ich.
    »Das«, sagt er mit rauer Stimme, »ist mein Stück.«
    Ich schließe die Augen, völlig überwältigt und zu verlegen, es zu zeigen, und lasse zu, dass sich die Klänge in meine Armbeuge schmiegen und an meinem Rückgrat emporwandern. Tränen steigen mir in die Augen und kullern mir übers Gesicht. Eilig tupfe ich sie mit meiner Serviette ab. »Entschuldige, aber es ist so wunderschön, dass ich nicht anders kann.«
    »Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen. Es rührt mich, dass dir meine Musik so nahegeht.« Er nimmt meine Hand und streicht mit dem Daumen über die Innenseite meines Handgelenks. Ich rücke ein Stück näher und höre ihn leise summen – nicht die eigentliche Melodie, sondern eine Gegenstimme, die in perfekter Harmonie mit den Noten verschmilzt. Ich verspüre den Drang, mich auf ihn zu stürzen, ihn ins Gras zu drücken und seinen Hals zu küssen. Die sanfte Berührung seines Daumens, langsam und hauchzart, jagt mir leise Schauer über den Rücken und lässt meine Haut prickeln. Ich spüre die Berührung überall – auf meiner Kopfhaut, in den feinen Härchen in meinem Nacken, auf den Schläfen und unter den Armen.
    Ich hebe seine Hand, seine deformierte Hand, und lege sie auf mein Gesicht. »Spielst du eines Tages einmal für mich, Jonah?«
    Sein Atem entweicht mit einem leisen Seufzer, als er sich in meine Berührung schmiegt und den Arm um mich legt. Sein Atem schmeckt nach Schokolade. Als seine Lippen hauchzart meinen Mund streifen – diese vollen Lippen –, ist es, als vibriere jede Zelle meines Körpers unter der Berührung. Einen Moment lang habe ich Angst, gleich ohnmächtig zu werden. Ich strecke die Hand nach ihm aus, packe seine Schulter, den Stoff seines Hemds, während er – oder ich oder wir alle beide, ich kann es nicht genau sagen – ein leises Stöhnen ausstößt. Dann neigt er den Kopf, so dass sich unsere Zungen berühren. Es fühlt sich wie etwas an, das wir in dieser Sekunde erfunden haben. Etwas so Seltenes und Eigentümliches und Unglaubliches, dass ich nur einen einzigen Wunsch habe – für den Rest meines Lebens seine Zunge in meinem Mund zu spüren, eingehüllt in die zärtlichen Klänge des Cellos.
    Wir beginnen uns zu bewegen, unsere Körper, unsere Lippen, erkunden, ertasten, umkreisen einander. Seine Hand in meinem Nacken fühlt sich glühend heiß an, und ich halte den Stoff seines Hemds viel zu fest umklammert. Meine Entschlossenheit, distanziert und scheu zu sein, mich nicht von meinen Gefühlen überwältigen zu lassen, ist wie fortgewischt.
    Ich löse mich von ihm und sehe ihn an. Er blickt auf mich herab, ehe wir zum nächsten Kuss ansetzen, diesmal Auge in Auge. »Ich kann nicht glauben, dass ich dich küsse«, flüstert er.
    »Ich weiß. Es ist wie ein Wunder.«
    Die Musik hinter uns verklingt. Er richtet sich auf und streicht mir eine Locke aus dem Gesicht. »Meine Hände zittern.«
    »Ich zittere am ganzen Leib«, sage ich und runzle die Stirn. Es fühlt sich an, als wäre es zu viel für mich. Wieder denke ich daran zurück, wie wir vor all den Jahren in seinem Plattenladen gestanden und über den Verlust seines Traums gesprochen haben. Ich denke an all die Musik, die er komponiert hat, die Musik, die wir heute Abend hier gehört haben, die Musik, die so gefühlvoll ist. Ich denke an sein Haus, das so karg ist, ohne Gegenstände, die man im Lauf der Jahre liebgewonnen hat.
    Unsere Hände beben. Es ist zu viel. Das hier ist nicht gut für mich , denke ich. Ich kann es mir nicht leisten, mich in eine dramatische Liebesgeschichte zu stürzen. Ich trage die Verantwortung für zu viele Menschen. Ich muss der Fels in der Brandung sein.
    »Vielleicht«, sage ich, »sollten wir ja eine Partie Backgammon spielen.«
    Er richtet sich vollends auf. »Ja. Das ist eine gute Idee.«
    Nach dem Konzert begleitet er mich nach Hause. Vorhin drohte mich die Musik zu übermannen, doch die

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