Mit einer Prise Glück und Liebe
konnte.«
»Ach ja?«
»Du musst eine alte Seele haben.«
Ich stoße ein Schnauben aus. »Das sieht meine Familie aber anders.«
Er lacht leise. Es ist ein warmes Lachen, das mich einzuschließen scheint. »Sie können dich nur nicht sehen, wie du wirklich bist. Manchmal ist es schwer, den anderen innerhalb der eigenen Familie richtig zu erkennen, glaubst du nicht auch?«
»Ja. Das ist noch so etwas, woran ich mich gut erinnere – du warst immer so nett zu mir. Ich habe mich immer … geehrt gefühlt, in deiner Nähe sein zu dürfen.«
»Das freut mich zu hören.« Wieder spüre ich diese Verbindung zwischen uns, die wie die ersten Noten einer Symphonie zwischen uns zu schwingen beginnt.
Ich durchbreche die Magie dieses Augenblicks, indem ich nach der Speisekarte greife. »Ich habe ein bisschen Hunger. Stört es dich, wenn ich etwas esse?«
»Überhaupt nicht. Ich werde auch etwas bestellen.«
Am Ende sitzen wir über zwei Stunden beim Mittagessen. In einer Art stummer Übereinkunft unterhalten wir uns ausschließlich über Banalitäten und Allgemeinplätze; über nichts, was sich als zu schmerzlich oder unerfreulich entpuppen könnte. Er bringt mich mit Anekdoten über seine Arbeit zum Lachen, und ich erzähle ihm vom Laden und von meinem Kater Milo.
Währenddessen kommen wir einander immer näher. Er beugt sich ein Stück über den Tisch, ich komme ihm bereitwillig entgegen. Ich ertappe mich dabei, wie ich die Bewegungen seines Mundes verfolge, meinen Blick über seinen schlanken Hals wandern lasse und sein Haar bewundere, das im spätnachmittäglichen Sonnenschein glänzt. Ein Gefühl, das tief in meinem Innern geschlummert hatte, scheint zu erwachen und sich über mein Rückgrat auszubreiten.
Er trägt keinen Ring, aber das muss nichts bedeuten. Natürlich kann ich ihn nicht danach fragen, ohne Gefahr zu laufen, dass er meine Absichten dahinter erahnt.
Schließlich tritt die Kellnerin an unseren Tisch und bittet uns mit einer Entschuldigung, allmählich aufzubrechen. Völlig verblüfft sehe ich mich um und stelle fest, dass wir die einzigen Gäste sind. »Wir haben schon vor einer Stunde geschlossen.«
Lachend sehe ich Jonah an. »Tut mir leid. Wir sind alte Freunde und haben wohl die Zeit vergessen.«
Wir verlassen das Café, bleiben aber hinter dem schmiedeeisernen Zaun noch einmal stehen. »Bist du verheiratet, Ramona?«
»Geschieden.«
»Ah.«
»Und du?«
Er sieht mir in die Augen. Ich erkenne ein Leuchten darin. »Ich auch.«
Ich nicke und halte seinem Blick stand.
»Ich habe mir überlegt«, beginnt er, »ob du und Katie vielleicht Lust hättet, zum Abendessen vorbeizukommen? Ich bin ein guter Koch.«
Soll Katie als Anstandswauwau fungieren, oder will er nur nett sein? »Das würde ich gern tun. Sehr gern sogar.« Ich hebe den Zeigefinger. »Unter einer Bedingung – ich muss um zwei Uhr früh raus, deshalb sollte es nicht allzu spät sein.«
»Hast du manchmal auch frei?«
»Ja. Sonntags und montags.«
»Wie wär’s dann mit morgen? Ich koche, du bringst Katie und ihren Hund mit, und wir essen bei mir auf der Veranda. Ist halb sechs früh genug?«
Ein Hoffnungsschimmer keimt in mir auf. »Ja.«
Wegen meiner unorthodoxen Arbeitszeiten habe ich mir angewöhnt, zweimal täglich ein Nickerchen zu machen – ein kurzes nach dem ersten morgendlichen Ansturm und ein zweites, längeres am Nachmittag. Als ich heimkomme, ist Katie noch nicht wieder zurück.
Milo und ich ziehen uns in mein Schlafzimmer zurück und rollen uns im Bett zusammen. Eine Brise bauscht die Vorhänge auf. Die Luft fühlt sich angenehm frisch auf meiner Haut an. Milo legt sich auf meinen Bauch und schnurrt. Ich schließe die Augen und denke an Jonah, an sein Gesicht, wie es heute aussieht, an den unverändert freundlichen Ausdruck in seinen Augen und an die Aura der Macht und des Selbstbewusstseins, die ihn im Gegensatz zu früher zu umgeben scheint. Ich döse ein.
Genau in diesem Schwebezustand zwischen damals und heute dringt eine Stimme in mein Bewusstsein.
»Ramona«, sagt sie. »Wach auf. Ich muss mit dir reden.« Eine Hand legt sich um meine. »Jonah?«, sage ich schlaftrunken, bevor mir bewusst wird, wo ich bin. Und in welcher Zeit.
Und wen ich vor mir habe. Natürlich ist es nicht Jonah. Sondern Cat. Er sitzt auf meiner Bettkante, als würde er dort hingehören, und hält meine Hand. Ich fahre hoch und entreiße sie ihm. »Was tust du da? Raus hier! Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht mit dir reden
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