Mit einer Prise Glück und Liebe
Bibliothek. Vielleicht finde ich ja etwas Schönes, woraus ich ihm kapitelweise vorlesen kann.
Aber wie auch immer das Ganze ausgeht, er hat noch einen langen Weg vor sich. Natürlich wird er wieder gehen lernen müssen, von seinen Verbrennungen ganz zu schweigen. Das Feuer kam von vorn, deshalb haben sein Kopf und seine Brust das meiste abbekommen. Ich habe wahnsinnige Angst. Es ist seltsam zu wissen, dass sein Gesicht nie mehr so aussehen wird wie das, das ich so geliebt habe. Ist unser Gesicht das, was uns ausmacht? Ich weiß, dass es nicht so ist, trotzdem erkennen wir einander und uns selbst am Gesicht. An unserer Nase, der Form unserer Augen, am Mund und am Kinn.
Ich habe Angst davor, wie er es aufnehmen wird, wenn er sieht, dass sein Gesicht ganz anders aussieht.
Solange ich noch so durcheinander bin, kann ich meine Mutter nicht anrufen. Sie wird meine Angst spüren, und ich will nicht, dass sie sich auch noch um mich Sorgen macht, da sie sowieso schon so viel am Hals hat.
Ich fühle mich, als wäre ich von einem Bus überfahren worden, wie meine Uroma Adelaide zu sagen pflegte. Deshalb werde ich jetzt wohl zurück in mein Zimmer gehen und mich hinlegen.
O Oscar! Oscar! Ich bin so traurig, dass dir das passiert ist. Ich hoffe, ich finde die richtigen Worte, um dir Mut zuzusprechen und dir zu zeigen, dass du geliebt wirst, egal, was passiert ist. Du musst leben. Für mich und für deine beiden Kinder. Wir brauchen dich.
Jetzt weine ich doch noch. Ich muss ins Bett und ein bisschen schlafen. Morgen besorge ich ein hübsches Garn und stricke ein bisschen.
Schluss jetzt.
ZWEIUNDZWANZIG
Katie
I m ersten Moment hat Katie Hemmungen, mit Ramonas Mutter loszuziehen, doch Lilys Freude, sich mit jemandem über Blumen unterhalten zu können, ist so groß, dass sie Katie mit ihrer Begeisterung mitreißt. Sie fahren mit Lilys grünem Nissan zu einem Gewächshaus, und kaum setzt Katie einen Fuß über die Schwelle, scheint es, als würde ihr ganzer Körper einen wohligen Seufzer ausstoßen.
Sie bleibt abrupt stehen. Sanftes, helles Licht fällt auf die endlos langen Tische, auf denen sich Blumen in allen erdenklichen Formen, Größen und Farben aneinanderreihen. Es ist der schönste Anblick, der sich ihr in ihrem ganzen Leben geboten hat. »O mein Gott!«
»Warst du noch nie in einem Gewächshaus, Schatz?«
»Nein«, flüstert Katie und saugt tief den Geruch nach Erde, Blättern und Feuchtigkeit ein. Sie kann den Blick nicht von dem Farbenmeer lösen. »Es ist unglaublich!«
»Geh ruhig ein bisschen herum und sieh dich um. Ich tue dasselbe. Und lass dir Zeit.«
Katie schwebt zwischen den Tischen umher. Sie betrachtet die kleinen rosa und weißen Blumen namens Impatiens, die aussehen, als würden sie lächeln, die weißen Gänseblümchen mit dem gelben Kreis in der Mitte, ehe sie an einer Reihe Kakteen vorbeigeht. Es ist, als ginge ein leises Rauschen durch die Pflanzen, so als unterhielten sie sich im Flüsterton. Was mag in Pflanzen vorgehen? , fragt sie sich. Sie lächelt und geht weiter, berührt hier ein geriffeltes Blütenblatt und lässt dort den Finger über einen von winzigen weißen Blüten bedeckten Strauch gleiten. Vor einer hohen Ranke mit leuchtend rosa Blüten, die aussehen, als bestünden sie aus Papier, und den Ringelblumen, die sie bereits kennt, bleibt sie stehen.
So viele Pflanzen und Blumen! So viele unterschiedlich geformte Blätter und Blüten, so viele Gerüche! Genau so hat sie sich das Paradies vorgestellt.
Erst als sie mit mehreren Kartons voller Beetpflanzen wieder vor der Tür stehen und Lily verspricht, ihr beim Einsetzen zu helfen, wird Katie bewusst, dass sie die ganze Zeit über absolut nichts gedacht hat, beinahe so, als wäre ihr Kopf komplett leer gefegt gewesen.
Seltsam. Aber auf eine angenehme Art und Weise.
Am Abend setzt sie sich hin und schreibt an Madison, obwohl sie bislang kein Wort von ihrer besten Freundin gehört hat, weder per Brief noch per Mail.
Liebe Madison,
heute habe ich sechs Stunden lang mit Lily Blumen gepflanzt. Meine Arme tun fürchterlich weh, außerdem habe ich einen leichten Sonnenbrand, aber vorhin habe ich in dem superschönen Badezimmer ein Bad genommen und bin so müde, dass ich sechs Jahre am Stück schlafen könnte.
Mir gefällt es hier gut. Ich wünschte, du könntest mich mal besuchen kommen. Wir könnten zu dieser Blumenausstellung fahren, von der Lily mir erzählt hat. Dort gibt es alle möglichen Blumen, und die Leute veranstalten
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