Mit falschem Stolz
kann Euch jedermann.«
Hunold richtete sich zu seiner ganzen Größe auf und wurde patzig.
»Man mag mich bitten, bedrohen, bestechen oder foltern – es nützt gar nichts. Das Schloss kann nur geöffnet werden, wenn der Herr Werner selbst mit seinem Schlüssel zugegen ist.«
»Also eine höchst sichere Verwahrung der Urkunden. Wann hat der wohledle Herr Werner das letzte Mal die Truhe geöffnet?«
»Nach der Taufe der Adelheidis – das war vor zwei Monaten. Warum stellt Ihr mir solche Fragen?«
Hunold von Kelse wurde langsam misstrauisch, be fürchtete Alyss. Immerhin schien aber Pater Henricus noch nicht mit dem Patron gesprochen zu haben. Sie bewunderte Marian für seine Art, das Gespräch zu führen.
»Es geht darum, einen Heuchler zu entlarven, der sich den Namen der Familie unrechtmäßig angeeignet hat und uns zu schaden wünscht. Es soll doch kein Schatten auf die Führung Eures Amtes fallen, nicht wahr?«
»Oh heilige Katharina, was redet Ihr? Nie habe ich einen Fremden Einblick in die Urkunden nehmen lassen. Und nie hat ein anderer als der Herr Werner den Schrein mit mir geöffnet.«
»Auch zu Zeiten, als er der Stadt verwiesen war? Er verließ sie, wie fast alle der alten Familien, 1396 und kehrte erst 1399 wieder zurück. Hat niemand während dieser Zeit die Geburten und Taufen, die Eheschließungen und Sterbefälle beurkundet?«
Der Altarist machte einen erschrockenen Schritt rückwärts und stieß einen hohen Kerzenleuchter an.
»Nein … doch … vielleicht …«
»Ihr habt ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sagtet Ihr. Hat in jenen drei Jahren der Herr Werner nicht einen Stellvertreter beauftragt, sich um diese Belange zu kümmern und ihm den zweiten Schlüssel überlassen?«
Hunold von Kelse beschäftigte sich ausgiebig mit dem wackelnden Kerzenleuchter und richtete ihn genauestens wieder aus.
»Nun, da Ihr davon sprecht«, hub er an. »Ja, doch, einmal kam der Herr Johann vorbei und wollte einige Urkunden in den Schrein legen. Natürlich habe ich ihm das erlaubt. Er ist schließlich ein Overstoltz und der Onkel des Herrn Werner.«
»Johann Overstoltz von Efferen?«
»Der nämliche. Genau.«
Diesmal war ein Aufblitzen in Marians Augen, das Alyss wahrnahm.
Sie waren auf der richtigen Spur.
»Ihr erinnert Euch dank Eures ausgezeichneten Gedächtnisses ganz gewiss auch daran, wann dies geschehen ist.«
Schmeichelei schien den Altaristen gesprächiger zu machen als harsches Befragen. Er schaute sinnend an die Decke und zählte dann auf: »Der Herr Werner übernahm das Amt im Jahre des Herrn 1391 und legte als Erstes die Sterbeurkunde des Gerard vom Vogelsang in die Truhe, dann folgte die Hochzeit der Maria mit dem von Hardefust noch im Herbst des Jahres …«
Er hatte wirklich ein geradezu biblisches Gedächtnis, stellte Alyss fest. Er schien jedes Ereignis memorieren zu können. Einmal in Bewegung gesetzt, zitierte er die Namen wie Moses die Geschlechter. In den Jahren des Verbundbriefstreites hatte wie erwartet keine Öffnung des Schreins stattgefunden, dann aber hatte Johannes von Efferen 1398 den zweiten Schlüssel mitgebracht, und hier geriet Hunold ins Stottern.
»Ich weiß nicht, welche Angelegenheit seine Urkunde betraf«, stammelte er hilflos.
»Wann kam denn der Herr Werner wieder zu Euch?«
Der Altarist blinzelte, atmete auf und fuhr mit den Familienereignissen fort, die ab 1399 beurkundet worden waren. Er erwähnte auch die Abschrift der Abstammungsurkunde für den Endres Overstoltz.
»Wunderbar, das habt Ihr ganz wunderbar zusammengefasst, Ihr wart uns eine große Hilfe«, lobte Marian ihn, als der Sermon verklungen war. Und zu Alyss und John sagte er kurz: »Zur Rheingasse!«
Sie ließen den verdatterten Altaristen grußlos stehen und eilten zurück über den Waidmarkt in Richtung Maria Lyskirchen. Hier stand in der kleinen Gasse, die zum Rhein führte, das Haupthaus der Overstoltzens.
»Hoffen wir, dass der Patron anwesend ist«, meinte John.
»Wir werden ihn schon auftreiben. Es war eben Messe, auch er wird in seinem Kontor seine Einnahmen und Ausgaben berechnen.«
»Gut. Mistress Alyss hat ihre Arbeit getan, du hast dich wacker mit dem Altaristen geschlagen. Dies hier ist meine Aufgabe.«
»Ja, Master John. Doch bedenkt, der Mann ist ein Patrizier. Und die Overstoltzens sind besonders auf ihre Würde bedacht.«
»Er wird einen gleichwertigen Gegner bekommen.«
Alyss sah ihn an.
»Ja.«
Diesmal war es John, der vortrat und an die Tür des stolzen Hauses
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