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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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pochte. Sechs Stockwerke hoch war es gemauert, besaß einen eindrucksvollen Stufengiebel und zahlreiche Rundbogenfenster.
    Man tat ihm auf, ein gestrenger Haushofmeister musterte ihn mit kühlem Blick.
    »Euer Begehr?«
    »Richte deinem Herrn aus, Lord John of Norwich wünscht ihn zu sprechen.«
    Heilige Jungfrau Maria, konnte John hoffärtig auftreten , dachte Alyss. Von dem jovialen Tuchhändler Master John war keine Spur mehr zu erkennen in dem ernsten, herrischen Adligen.
    Der Haushofmeister war gut geschult, er erkannte einen Herrn, wenn er vor ihm stand.
    »Tretet ein, Lord John. Wen darf ich als Eure Begleiter nennen?«
    »Mistress Alyss und Master Marian vom Spiegel.«
    Eine tiefe Verbeugung folgte.
    Die Overstoltzens mochten sich als die höchstrangigen Mitglieder der Kölner Gesellschaft dünken, die vom Spiegel jedoch befanden sich allenfalls um eine Haaresbreite unter ihnen.
    Die prächtige Eingangshalle duftete von dem Bienenwachs, mit dem die aufwändig geschnitzte Holztreppe, die beiden Ebenholztruhen und ein schmaler Tisch poliert worden waren, die Wand schmückten farbenprächtige Teppiche mit ritterlichen Szenen, ein Leuchterkranz mit Dutzenden von Kerzen hing von der Decke.
    Reichtum strahlte das Haus aus.
    »Tuchhandel, nicht wahr?«, fragte John, während der Bedienstete davoneilte, um ihren Besuch anzukündigen.
    »Tuchhandel. Da siehst du mal, wie weit du es bringen kannst, John.«
    John blieb ernst, sah sich unter den schweren Lidern um und schien alles genau aufzunehmen.
    Der Haushofmeister kam zurück und geleitete sie in einen noch prächtigeren Saal im ersten Stock. Glas und Sil ber funkelten, kostbare Seidenteppiche bedeckten einen langen Tisch, Lederpolster, Pelz- und Samtdecken lagen auf den Sitzgelegenheiten. Werner Overstoltz, hochgewachsen, in dunkelroter Robe, trat ihnen entgegen. Alyss rügte sich heimlich, nicht eines ihrer kostbaren Gewänder angelegt zu haben, und versuchte den fehlenden Glanz durch eine ebenso stolze Haltung auszugleichen. John, in seinem einfachen Wams und Stiefeln, gelang das mühelos.
    »Lord John?«
    »Lord Werner.«
    »Ihr suchtet mich zu sprechen. In welcher Angelegenheit?«
    Alyss und Marian schien der Patron der overstoltzen Familie überhaupt nicht wahrzunehmen.
    »Euer Neffe beschuldigt Lord Ivo vom Spiegel, den Weinhändler Arndt van Doorne umgebracht zu haben.«
    »Und, tat er es?«
    »Nein.«
    »Was habe ich damit zu tun?«
    »Ihr bezeugtet die Ehelichkeit von Endres Overstoltzens Geburt.«
    »Und?«
    »Ein Meineid, Lord Werner.«
    »Was unterstellt Ihr mir?«, brüllte der Overstoltz auf, und Alyss zuckte zusammen.
    John nicht. Er musterte sein Gegenüber kühl.
    »Lautstärke, Lord Werner, ist kein überzeugendes Argument.«
    »Verlasst mein Haus!«
    Große Gesten beeindruckten John ebenfalls nicht.
    »Nicht, bevor die Angelegenheit geklärt ist. Wenn Ihr wollt, im Guten.«
    »Droht Ihr mir?«
    »Ja.«
    Man konnte den Overstoltz noch verblüffen. Doch er fing sich und begann zu lachen.
    »Dreist seid Ihr, Lord John. Das muss man Euch lassen.«
    »Und Ihr seid stolz. Wenn dieser Stolz nicht zerschlagen werden soll, dann redet mit uns.«
    »Ihr macht mich, zugegebenermaßen, neugierig. Setzen wir uns.«
    Der Patron wählte einen Sessel, einem Thron gleich, John einen mit breiten Polstern. Marian zog Alyss auf eine Bank seitlich daneben. Sie beide versuchten, sich so unsichtbar wie möglich zu machen.
    »Nun los, Lord Tuchhändler oder Lord Falkner.«
    »Lord of Norwich von Geburt, aber das andere bin ich auch. Wir sprachen mit Hunold von Kelse, Eurem Altaristen in Sankt Katharina.«
    »Was trieb Euch dazu?«
    »Der Verdacht der Urkundenfälschung.«
    Einen winzigen Moment lang flackerte es in Overstoltzens Augen, bemerkte Alyss.
    »Bestätigte von Kelse diesen Verdacht?«, fragte er indes leutselig.
    »Ja.«
    Diesmal zuckte er tatsächlich zusammen.
    John schwieg.
    »Ihr habt nach Eurer Rückkehr den Altar aufgesucht und neue Dokumente in dem Schrein abgelegt. Ist Euch dabei nichts aufgefallen, wohledler Herr?«, fragte Alyss leise.
    Endlich sah er sie an. Dann wandte er sich wieder John zu. Der sagte: »Ihr wisst es und habt es geduldet, stimmt’s?«
    Marian sagte leise: »Die Geschlechter haben an Macht verloren. Um einen Teil zurückzugewinnen, habt Ihr geduldet, dass Endres Overstoltz seine Abstammungsurkunde fälschte, um das Amt des Schöffen zu erlangen.«
    Das Gesicht des Patrons wirkte steinern.
    »Er hat seinen Onkel Johann überredet,

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