Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
zwar sehr bald, Lauryn. Tilo wird das Tuchhändlergeschäft seines Vaters übernehmen, und er wird es gut machen. Master John wird ihn in England unterstützen, Herr Robert hier in Köln oder in Deventer. Wulf wird immer Stallmeister bleiben.«
    Nun sah Lauryn sie mit großen Augen an.
    »Frau Alyss, aber der Wulf will mich. Tilo nicht.«
    Ein feines Lächeln schwebte über Alyss’ Lippen.
    »Bring ihn dazu.«
    »Ähm … Oh. Mhm … Ich weiß nicht, wie. Ich meine, ich bin ihm doch lästig.«
    »Nein, das bist du nicht. Als du krank warst, hat er sich sehr um dich gesorgt, und immer wenn ich Wulf erwähne, wird seine Miene säuerlich.«
    »Ist das so? Ja, er hat mir Blumen geschickt. Aber, Frau Alyss, ich kann doch nicht plötzlich anfangen, mit ihm zu tändeln und zu kosen. Das macht ein Weib doch nicht.«
    »Nein? Das machen aber viele Weiber. Aber du hast recht. Tilo ist ein nachdenklicher junger Mann, ganz anders als dein Bruder Frieder, der seit Neuestem ständig seine überwältigende Männlichkeit bestätigt haben will. Der Weg zu Tilos Herzen geht über Verständnis und Vertrauen. Sprich mit ihm über seine Zukunft. Hör ihm gut zu. Rate ihm.«
    »Und dann?«
    »Schau, was passiert.«
    Sie standen auf und gingen schweigend durch den dämmrigen Rebgarten. Als sie das Tor erreicht hatten, blieb Lauryn plötzlich stehen.
    »Frau Alyss, wenn ich einem Haus vorstehen soll, müsste ich da nicht auch wissen, wie man das Haushaltsbuch zu führen hat?«
    Erfreut ob dieser klugen Ansicht stimmte Alyss zu.
    »Ja, Lauryn, das solltest du wirklich. Ich werde Tilo anweisen, dir zu zeigen, was dabei zu beachten ist.«
    »Ach ja, das wäre sehr praktisch.«
    In tiefem gegenseitigem Verständnis betraten sie die Küche, um im Kreise des hungrigen Hauswesens das Abendessen einzunehmen.

35. Kapitel
    D unkel war es in den Gassen. Vom Rhein zog feuchtkalte Luft zwischen den Häusern hoch und legte sich wie klamme, ungewaschene Laken um die Häuser. In Lumpen gehüllte Gestalten drückten sich an Hauswände, als ein Fackelträger zwei Männer durch die verwinkelten Straßen führte. Ein Nachtkarren mit seiner übel stinkenden Last rollte ratternd über den holprigen Untergrund, Männer fluchten.
    Ein magerer Schatten huschte an ihnen vorbei, humpelnd, schniefend.
    Irgendwo heulte ein Hund, kreischten Katzen, die sich um ihr Revier stritten. Oder um ein paar Fischreste, die vom Tagesfang übrig geblieben waren.
    Der Schatten stolperte, jaulte leise auf, blieb eine Weile im Dreck liegen. Als sich Schritte von harten Stiefeln näherten, raffte er sich auf und floh den helleren Straßen entgegen.
    Hier waren noch nicht alle Läden geschlossen, leuchtete noch Licht hinter den Fenstern der Häuser. Aus einem klang Gesang und Flötenspiel, aus einem anderen fröhliches Gelächter. Düfte von würziger Suppe und gebratenem Fisch mischten sich mit dem feuchten Dunst.
    Erschöpft hinkte der Schatten voran, tastete sich an den Häuserwänden entlang und erreichte schließlich eine Toreinfahrt. Auch hier hörte man aus dem Haus Stim mengemurmel, Löffelklappern, das Scheppern der Kelle in einem großen Kessel.
    Vorsichtig versuchte der Schatten das Tor zu öffnen – es bewegte sich lautlos, der Riegel war noch nicht vorgeschoben. Ein kleines, erleichtertes Seufzen hallte in der Einfahrt wider. Dann fiel das Tor zu, und fast lautlos huschte der Eindringling über den Hof.
    Benefiz hob die Schnauze und jiepte leise. Dann legte er seinen Kopf wieder auf die Pfoten und ließ ihn gewähren.
    Die Stalltür knarrte ein wenig, dann wurde auch sie wieder geschlossen. Stroh raschelte, und Hufe scharrten.
    »Messveech«, sagte der Schatten schniefend. »Ach, Messveech!«
    Rau und noch immer struppig war das Fell, aber der Leib der kleinen Eselin war warm, und zitternd schmiegte Lore sich an ihren Bauch.
    Alyss wurde durch ein eindringliches Klopfen an ihrer Kammertür geweckt. Sie blinzelte – es war noch dämmrig, der Morgen früh und kalt.
    »Frau Alyss, wacht auf!«
    Hildas Stimme.
    Es musste etwas passiert sein.
    Alyss schwang die Beine aus dem Bett und öffnete die Tür.
    »Was gibt es, Hilda?«
    »Peer sagt, Ihr sollt zum Stall kommen.«
    »Was ist dort?«
    »Sollt selber nachsehen. Nehmt ein Tuch mit, es ist kalt.«
    Ihr Wolltuch um die Schultern, die nackten Füße in den Holzpantinen folgte Alyss ihrer Köchin über den Hof. Peer stand an der Stalltür und legte, als sie hinzutrat, den Finger auf die Lippen. Vorsichtig spähte sie hinein.

Weitere Kostenlose Bücher