Mit falschem Stolz
bleibt noch Lauryn.« Alyss stand auf. »Mit deren Herzeleid sollte ich mich nun beschäftigen.«
Das Hauswesen schnatterte – Hedwigis sonnte sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Alyss beglückwünschte sie, und mit züchtig gesenkten Lidern nahm die Jungfer die Huldigungen entgegen.
»Aber, Frau Alyss, ich werde Euch schon heute verlassen müssen. Meine Frau Mutter besteht darauf, dass ich die letzten Monate in ihrer Obhut verbringe.«
»Natürlich, Hedwigis, Leocadie wird dir helfen, deine Sachen zusammenzupacken. Und vielleicht magst du ja hin und wieder zu einem Besuch vorbeikommen.«
»Ja, vielleicht. Oder Ihr kommt mich in meinem neuen Heim besuchen.«
Alyss nickte nur – schon war die Hochnäsigkeit zurückgekehrt. Aber sei’s drum, damit würde sich zukünftig Wynand auseinandersetzen müssen.
»Lauryn, wir beide sollten uns um den Rebgarten kümmern. Die Wurzeln müssen abgedeckt werden.«
»Ja, Frau Alyss.«
»Ich hole nur noch meine Schürze.«
Alyss suchte ihre Kammer auf, und wieder schreckte sie vor dem blutroten Flecken zurück. Richtig, es hatte jemand rote Rosen auf ihr Polster gelegt – über die ganze overstoltze Aufregung hatte sie diesen Vorfall völlig vergessen. Sie sammelte die Blätter ein und legte sie auf den Tisch, dann band sie sich ein schlichtes Tuch um den Kopf, legte die Schürze an und schlüpfte in die hölzernen Pantinen. Mit den Blüten in der Hand ging sie nach unten und warf die Blumen in das Herdfeuer.
Dennoch fragte sie sich, wem sie diese minnigliche Aufmerksamkeit zu verdanken hatte. John nicht, obwohl sie ihn bei der ersten Gabe in Verdacht gehabt hatte, da er sie so gerne mit dornigen Rosen verglich. Ihr Bruder brachte ihr zwar hin und wieder kleine Geschenke mit, aber rote Rosen in ihr Bett streuen, das sah ihm nun wirklich nicht ähnlich. Frieder? Dem war so etwas zuzutrauen. Andererseits – er war noch so jung, die Reize gleichaltriger Maiden waren vermutlich bei Weitem verlockender als die einer Frau von weit über zwanzig Jahren. Blieb noch Merten, fiel ihr ein. Er war am Vormittag gekommen, um eine Lieferung Wein abzuholen.
Marian hatte ihr seinen Eindruck mitgeteilt, dass Merten ihr den Hof machte.
Stimmte das etwa? Wie peinlich!
Sie würde dem stracks ein Ende bereiten müssen.
Aber jetzt war erst einmal Lauryns Herzeleid aus dem Weg zu räumen.
Die Sonne stand schon tief, und eigentlich war es viel zu spät, um noch eine Arbeit im Weingarten zu beginnen. Aber Lauryn war schon dabei, die zurückgeschnittenen Rebpflanzen mit Reisig zu bedecken.
»Lass es gut sein, Lauryn. Die Arbeit kann bis morgen warten.«
»Aber Ihr …«
»Ich wollte ungestört mit dir reden. Gehen wir zur Rosenlaube.«
Kläffend kam Benefiz angesprungen und begehrte teilzuhaben an dem Leben seiner Menschen. Er war es zufrieden, als Alyss seinen Kopf kraulte, und heftete sich an ihre Fersen.
»Habe ich etwas falsch gemacht, Frau Alyss?«, fragte Lauryn bang, als sie die Bank unter dem Spalier erreicht hatten.
»Nein, du hast gar nichts falsch gemacht. Du bist ein sehr umsichtiges, kluges junges Weib. Und wie ich höre, hast du mich während meiner Abwesenheit mit ebendieser Umsicht vertreten.«
»Oh, danke.«
»Ich glaube, Lauryn, dass du von euch drei Jungfern diejenige bist, die wirklich einen großen Haushalt zu leiten in der Lage ist.«
»Ohmm. Na ja, Leocadie wird Herrin einer Burg.«
»Und hat einen Burgvogt und dessen Weib, die die Verwaltung und den Haushalt führen.«
»Hedwigis …«
»Wird es noch lernen.«
Lauryn biss sich auf die Lippe.
»Ja, das wird sie wohl müssen. Wenn Herr Wynand nicht sehr nachsichtig ist.«
»Ich habe euch dreien versucht, so viel wie möglich beizubringen. Den Nutzen daraus müsst ihr nun selber ziehen.«
»Schickt Ihr mich jetzt fort, Frau Alyss?«
»Nein, Lauryn. Du bleibst so lange bei uns, bis du verheiratet bist.«
Das Mädchen wurde rot und schaute auf seine Hände im Schoß.
»Lauryn, es ist Zeit, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen.«
Sie nickte.
»Deine Mutter hat dich in ihrem Schmerz über den Tod ihres Gatten mit Wulf, dem Stallmeister, verlobt. Du aber hast, seit ich dich hier beobachten kann, eine stetige Neigung zu Tilo gezeigt. Ist sie noch vorhanden?«
»Warum fragt Ihr das?«
»Weil ich selbst, Lauryn, einmal eine falsche Entscheidung getroffen habe. Eine Ehe dauert ein Leben lang.«
»Ich soll meine törichten Gefühle für Tilo aufgeben, ja?«
»Du sollst eine Entscheidung treffen. Und
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