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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ich habe ihm versprochen, seine Nachfolge anzutreten.«
    »Als Handelsherr.«
    »Ja, als Handelsherr. Weshalb ich in fünf Tagen nach Venedig aufbrechen werde.«
    »Dorthin, wo die Zitronen blühen.«
    »Und die Winter milde sind. Wenn das Frühjahr hier einzieht, komme ich zurück.«
    Marian nestelte an seinem Beutel und zog eine silberne Münze hervor und hielt sie Gislindis hin.
    »Seht, ob meine Reise glücklich ist, weise Gislindis.«
    »Ihr wollt das wirklich?«
    »Wer wollte nicht wissen, was das Schicksal bringt?«, fragte er mit einem Lächeln. »Vor allem, welches mich erwartet, wenn ich heimkehre.«
    Gislindis nahm mit spitzen Fingern die Münze von seiner Handfläche und legte sie auf den Tisch. Dann ergriff sie seine Hand und betrachtete die Innenseite. Lange beugte sie den Kopf darüber, und ihm wurde heiß und kalt. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und fragte: »Was seht Ihr, Gislindis?«
    Tonlos antwortete sie: »Nichts. Nichts, Herr Marian. Ich kann nichts sehen. Es ist nur Nebel dort.«
    »So werde ich im Nebel verschwinden?«
    Gislindis ließ seine Hand los.
    »Nein, Herr Marian, das ist es nicht. Meine Gabe hat mich verlassen.«
    Sie schob die Münze zu ihm hinüber.
    »Ihr seid seit Tagen in Sorgen. Sie wird zurückkehren, wenn Euer Leben wieder geordnet verläuft. Und dennoch, liebliche Gislindis, könnt Ihr meine Frage schon heute beantworten, denn dafür braucht Ihr Eure Gabe nicht. Und das wisst Ihr sehr wohl.«
    Sie sah auf, mit traurigen Augen.
    »Nein.«
    »Endgültig und unwiderruflich?«
    Ihre Wangen röteten sich.
    »Ihr wisst es doch auch, Herr Marian.«
    »Das Leben verläuft in seltsamen Windungen, das habt Ihr selbst einmal gesagt.«
    »Meines in anderen als das Eure.«
    Marian nickte. Es war nicht die richtige Zeit, nicht der richtige Ort. Er hatte seine Entscheidung getroffen, musste in die Ferne ziehen, sie sorgte sich um ihre eigene Zukunft.
    »Gislindis, darf ich Euch dennoch um Eure Hilfe bitten?«
    »Jederzeit, Herr Marian. Ihr habt so viel für Mats und mich getan …«
    »Wir haben in Caspar van Mechelen den Mörder des Arndt van Doorne gefunden, aber diesmal bedrückt mich eine Ahnung, dass damit nicht die ganze Wahrheit an den Tag gekommen ist. Habt Acht auf meine Schwester.«
    »Selbstverständlich.« Und dann lächelte sie endlich wieder. »Wenn Mats bald seinen Schleifstein auf den Markt bringt, werde ich meine Ohren offen halten. Man hört viel, wenn die Klingen singen.«
    Marian erhob sich.
    »Danke. Und nun will ich mich verabschieden. Montag in der Frühe wird mich ein Schiff nach Süden bringen.«
    Gislindis stand ebenfalls auf.
    »Ich wünsche Euch glückliche Fahrt, Herr Marian.«
    »Und ich mir eine Abschiedsgabe.«
    Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Er spürte ihren Widerstand, doch ließ er sich davon nicht beirren.
    »Es wird nicht wehtun, Gislindis.«
    »Euch nicht.« Und dann gab sie nach. »Aber es ist ein süßer Schmerz.«
    Und sie legte ihre Arme um seinen Nacken und küsste ihn mit tiefer, trauriger Leidenschaft.

38. Kapitel
    E in Herbststurm hatte die Blätter verweht und einige Schindeln vom Dach geholt. Doch der Sonntag prunkte mit hellem Sonnenschein und reiner, klarer Luft. Alyss legte das tannengrüne Samtgewand an, das den Sommer über in der Truhe geruht hatte. Ein leichter Lavendelduft umgab es, denn sie legte Kräuterbeutel zwischen die Kleider. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie am Vortag gewaschen, und Lauryn half ihr, sie auszukämmen und zu Flechten aufzustecken. Ein aus Goldfäden gewirktes Netz fasste sie ein, ein gewundenes Tuch aus Seide, bestickt mit kleinen Perlen, schmückte ihr Haupt.
    »Ihr solltet häufiger solch schöne Kleider tragen, Frau Alyss.«
    »Ja, vor allem, wenn ich im Lehm des Rebgartens arbeite.«
    Lauryn kicherte.
    »Mir erzählt Ihr, ich solle einem großen Haus vorstehen, aber Ihr wurzelt in den Gärten herum und nehmt den Mägden die Arbeit weg.«
    Ein bisschen betroffen ließ Alyss die Hände sinken, mit denen sie eben den Kopfputz zurechtgezupft hatte.
    »Ja, aber … Ich sollte mich vornehm in den Saal setzen und feine Stickarbeiten machen, meinst du?«
    »Dann und wann. Und mit anderen wohledlen Frauen plaudern, Feste geben und mit Eurem Falken zur Jagd reiten.«
    »Und wer keltert den Wein, wer verkauft die Pelze, wer füttert das Hauswesen und bringt den Jungfern und Burschen Manieren bei?«
    »Tja, Manieren könntet Ihr ihnen auch in schönen Gewändern beibringen. Aber Lore zum

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