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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Baden zu überreden – da habt Ihr recht, das bedarf grober Kittel.«
    Alyss nahm das pelzgefütterte Jäckchen, und Lauryn half ihr, die Schleppärmel des Kleides durch die Ärmelöffnungen zu ziehen.
    »Benimmt sie sich ordentlich, die Lore?«
    »Ja, Frau Alyss. Das tut sie. Sie ist ein bescheidenes Geschöpf, das noch nicht viele Annehmlichkeiten kennengelernt hat. Das weiche Bett behandelt sie mit großer Ehrfurcht und wäscht sich jeden Abend die Füße, bevor sie hineinsteigt. Und die ganze Nacht bleibt sie völlig bewegungslos liegen, als hätte sie selbst im Schlaf noch Angst, die Decke zu zerknittern.«
    »Sie wird sich dran gewöhnen. Offensichtlich hat sie das Päckelchestragen aufgegeben.«
    »Ja, sie geht jetzt nur noch zu den Beginen und zu Magister Jakob. Und sie hat angefangen, Hilda zur Hand zu gehen.«
    »Kochen gefällt ihr. Und gute Köchinnen sind begehrt in den großen Häusern. Warten wir ab, wie beständig sie ist. Kommt Tilo seiner Aufgabe nach, dich in der Buchführung zu unterrichten?«
    »Mit großem Ernst, Frau Alyss. Und er findet mich recht gelehrig. Wir disputieren sehr angeregt über die Darstellung von Schulden und Gewinnen und Rechnungen und Ausgaben.«
    »Das ist erfreulich zu hören.«
    »Ja. Doch er spricht auch davon, im nächsten Jahr wieder nach England zu reisen. Mit einem Handelsgesellen seines Vaters.«
    »Das muss er tun, wenn er das Geschäft in Zukunft übernehmen will. Er wird nun achtzehn Jahre alt und kann seinem Vater beim Tuchhandel schon zur Hand gehen.«
    »Und ich werde sechzehn, Frau Alyss.«
    »Zwei Jahre, Lauryn. Warte zwei Jahre.«
    »Meine Mutter will nicht so lange warten.«
    »Willst du es?«
    Lauryn sah Alyss aufrichtig an.
    »Ja, ich warte.«
    »Dann rede ich mit deiner Mutter.«
    Und Lauryn seufzte, als sei ihr eine Last von den Schultern genommen worden.
    »Danke.«
    Sie machten sich bereit, das Haus von Baumeister Peter Bertolf aufzusuchen. An diesem Sonntag kam die Familie zusammen, um die Verlobung von Hedwigis und Wynand Brouwer festlich zu begehen, und Alyss nahm sich vor, ein ausführliches Gespräch mit ihrer Tante Mechtild, Tilos verständiger Mutter, zu führen. Vielleicht war es eine ganz gute Idee, die Jungfer im nächsten Jahr ihrer Obhut anzuvertrauen. Frau Mechtild war eine gewitzte Händlerin, die ihr eine Menge beibringen konnte.
    Mit Leocadie, Lauryn, Frieder und Tilo wartete Alyss auf ihren Bruder, der sie zu dem Haus begleitete, das auch schon ihr Großvater, Meister Conrad, bewohnt hatte. Der Vater ihrer Mutter Almut war ein höchst ehrgeiziger Mann gewesen, der es bis in den Rat der Stadt geschafft hatte, und seinem Heim war ein entsprechender Wohlstand anzusehen. Frau Wiltrud hatte diesen Wohlstand um einigen Glanz gemehrt, und so erwartete sie auch eine reich gedeckte Tafel in dem großen Saal. Hedwigis sonnte sich, wie Alyss fand, wieder einmal darin, im Mittelpunkt zu stehen. Jegliche Bescheidenheit hatte sie abgelegt, doch auch ihre Hochnäsigkeit schien ein wenig gemildert. Wynand Brouwers Freundlichkeit schliff offensichtlich an den scharfen patrizischen Kanten.
    Erfreut begrüßte Alyss auch Fredegar, der ein fürstli ches safrangelbes Wams trug, das von Goldfäden glit zerte. Leocadie erblühte, als sie den ihr anverlobten Ritter Arbo erblickte, der in dunkelrotem Brokat ihrem lilienweißen Gewand einen schönen Rahmen bot. Und dann sah sie John. In Schwarz. Ohne jeglichen Zierrat. Und er gefiel ihr besser als alle Ritter und Patrizier, Kaufherren und Gaffelherrn zusammen.
    Ihre Eltern trafen ein, und als sie zu ihrem Vater trat, fragte sie ihn nach seinem Befinden.
    Doch es war ihre Mutter, die mit dumpfer Stimme ant wortete: »›Alle seine Tage sind voller Schmerzen, und voll Kummer ist sein Mühen, dass auch sein Herz des Nachts nicht Ruhe findet.‹ Genau wie das des mieselsüchtigen Predigers.«
    »So fällt er Euch lästig, Frau Mutter?«
    »Umgekehrt ist es der Fall, und wie fühle ich in den letzten Tagen mit Sirach, der schon klagte: ›Eine schwatzhafte Frau ist für einen stillen Mann wie ein sandiger Weg bergan für einen alten Mann.‹«
    »Und dennoch seht Ihr gesund und ausgeruht aus, nicht als habet Ihr einen langen, sandigen Anstieg hinter Euch, Herr Vater.«
    »Ihr macht zu viel Getue um mich. Tochter, du kannst der Schlyfferstochter ausrichten, dass man morgen bei der Gerichtssitzung über Mats eine geringe Strafe verhängen wird wegen Trunkenheit. Die Geldbuße ist bereits bei dem Notarius

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