Mit falschem Stolz
hinterlegt.«
»Danke. Ich nehme an, Ihr habt auch etwas über den Schöffen Endres Overstoltz in Erfahrung gebracht?«
»Ja, ja, der Overstoltz«, murmelte der Herr vom Spiegel, und ein ausgesprochen unheiliges Lächeln zuckte um seine bärtigen Mundwinkel.
Alyss spürte Marian hinter sich, und John stand nun neben ihr.
»Befriedigt unsere Neugier, Lord Ivo. Wir bitten Euch.«
»Wie man hört – aber das ist natürlich nur Gemunkel und nicht wert, an meine Ohren zu dringen –, hat neulich ein ehemaliger Schöffe im Schutze der Dämmerung die Stadt verlassen, um in Efferen Unterschlupf zu suchen. Aus den Annalen des Schöffenkollegs ist ein Name gestrichen worden.«
»Ja, ja, ein stolzer Name«, murmelte Marian.
Ein Raunen ging durch den Saal, als die letzten Gäste eintrafen. Und auch Alyss musste blinzeln.
Am Arm des in dunkelblaues Tuch gewandeten Robert betrat eine Frau den Raum. Schlank, anmutig und in silberdurchwirktem grauem Gewand lächelte sie unter der hohen Haube in die Runde.
»Catrin? Ist das Catrin?«
Frau Almut sagte: »Ist sie. Ich habe meine Truhen für sie geöffnet. Sie haben heute Morgen in aller Stille das Eheversprechen abgelegt, Vater Lodewig selbst hat sie getraut. Doch schweig darüber, wir wollen Hedwigis nicht den Triumph nehmen.«
Die Jungfer bekam also die ihr gebührende Aufmerksamkeit, das heitere Fest endete mit dem großen Abschiedneh men. Marian, Robert, Catrin und Leocadie würden am nächsten Morgen die Stadt verlassen.
Das Hauswesen begann den Montag schläfrig, nur Lore war eifrig dabei, das Geflügel zu versorgen, und als Alyss auf den Hof hinaustrat, führte sie Jennet am Halfter aus dem Stall. Gog und Magog folgten schnatternd und zischend und bekamen von ihrer Hirtin eins auf den Schnabel. Jennet nutzte die Gelegenheit, schnappte nach Lores Schürzenband und zog daran. Doch sie entging Lores Strafpredigt. Sie lachte sogar, legte der kleinen Eselin den Arm um den Hals und flüsterte ihr irgendetwas Vertrauliches in das lange graue Ohr.
»Noch ein paar Tage, und sie lässt Lore auf ihrem Rücken reiten«, sagte Frieder neben Alyss. Und grinste dann. »Gleich und gleich gesellt sich gern!«
»Und das gegenseitige Vertrauen mag die Wunden heilen, die man ihnen zugefügt hat. Lass Jerkin fliegen, Frieder, es wird ein schöner Herbsttag.«
»Ja, Frau Alyss. – Frau Alyss?«
»Frieder?«
»Der Herr Fredegar, er hat mich gefragt …«
»Na, was?«
»Er möchte Falken und Merline auf seinem Gut züchten. Ich könnte dort sein Falkner werden, hat er gesagt.«
»Was dir weit mehr gefallen würde, als auf meines Vaters Gut zu arbeiten.«
»Ja, Frau Alyss. Verzeiht, ja.«
»Aber du hast nur einige Monate bei Master Johns Falkner gelernt.«
»Ja, aber Master John hat gesagt, er bleibt bis zum Frühjahr hier, und wir werden zwei junge Turmfalken fangen, mit denen ich dann arbeiten soll. Wenn Ihr einverstanden seid.«
Er war so voller Begeisterung. Und John für ihn ein Vorbild. Es gab kaum ein besseres für einen lebhaften jungen Mann wie ihn.
»Ich bin einverstanden, Frieder. Für heute gibt es nicht viel zu tun, vielleicht solltest du Tilo und Peer bitten, dir zu helfen, einen weiteren Verschlag zu bauen.«
»Oh, Frau Alyss, wirklich?«
»Ja, wirklich.« Sie lächelte, und er kniete vor ihr nieder.
» Youngling , du zeigst gute Manieren«, sagte John. »Hast du deinen Wunsch vorgetragen?«
»Und erfüllt bekommen, Master John. Was führt Euch zu dieser frühen Stunde her?«
»Geschäfte.« Er wies auf den Karren, den zwei stämmige Knechte begleiteten. »Die letzten Tuchballen müssen zu den Gewandschneidern gebracht werden. Dann habe auch ich ein wenig Zeit, um vielleicht einen jungen Falken zu fangen.«
»Dann geht Euren Lustbarkeiten nach.«
Es wurden allerdings ganz andere Lustbarkeiten daraus.
Um die Mittagszeit hatte sich das Hauswesen mit knurrendem Magen wieder vollständig eingefunden, und auch Merten klopfte höflich an die Tür. Alyss gewährte ihm Gastfreundschaft, doch als Frieder ihn nach dem Zusammentreffen mit Caspar van Mechelen ausfragen wollte, schritt sie ein.
»Es ist vorüber. Lasst uns dazu schweigen«, sagte sie ruhig.
»Ja, Frau Alyss. Und es gibt Unterhaltsameres zu berichten. Hört, eine Gruppe Gaukler und Spielleute hat sich auf dem Alter Markt versammelt. Sie haben eine Bühne aufgebaut und zeigen ihre Kunststücke. Sie tanzen auf dem Seil und haben einen zahmen Bären dabei. Wollt Ihr mich nicht begleiten, um ihnen
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