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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gezähmt?«
    »Es gab da eine süße Maid …«
    »Und sie erhörte dich?«
    Frieder brannte geradezu darauf, über seine Erfahrungen zu berichten. Vermutlich hatte er sich den Jungfern gegenüber nicht getraut, darüber zu sprechen. Marian ermutigte ihn also amüsiert, und was er erfuhr, stimmte ihn sogar noch etwas heiterer. Rodwyn arbeitete seit neun Jahren im Haus von John of Lynne, zusammen mit ihrem Bruder, der die Aufgabe hatte, die Kamine zu fegen und den Garten in Ordnung halten. Beide waren in Frieders Alter und anscheinend von lebenslustigem Gemüt. Was der frommen Hausherrin jedoch verborgen blieb, denn Margaret, Johns Weib, lebte vollständig zurückgezogen in ihren kargen Gemächern, ganz ihren Gebeten hingegeben.
    »Eine erbärmliche Gestalt, Herr Marian. Mager, dass die Knochen klappern, bleich wie der Nebel über dem Meer und beständig in ein fleckenloses weißes Nesselgewand gehüllt. Sie isst nur einmal am Tag etwas ungewürzten Haferbrei und trinkt ausschließlich Wasser. Sie spricht mit hauchgleicher Stimme und schleicht barfuß durch die Räume.«
    »Du bist sicher, dass du keinem Gespenst begegnet bist?«
    Frieder prustete.
    »Könnte man fast glauben. Die heilige Margaret ist schon so vergeistigt, dass sie fast durchsichtig ist. Aber sie hat dennoch scharfe Zähne. Der arme Master John. Ihn hat sie gehörig angegiftet, als er mich ins Haus brachte. Dabei gehört es doch ihm.«
    Marian seufzte.
    »Je mehr ich von Johns Eheweib höre, desto mehr drängt sich mir die Vorstellung auf, dass sie in ein Kloster gehört. Vornehmlich in eines der barfüßigen Nonnen, die ein Schweigegelübde ablegen müssen.«
    »Diese Entscheidung, Herr Marian, haben wir ein we nig beschleunigt.«
    Ein äußert unheiliger Ausdruck lag auf Frieders Gesicht, und Marian wollte eben nachfragen, als der Junge sagte: »Psst, später.«
    Alyss scheuchte mit einem Besen die heidnischen Völker aus dem Weg, wofür Gog und Magog sie mit pöbelhaftem Geschnatter beschimpften.
    »Unsere Gänsehirtin ist pflichtvergessen!«, erklärte sie.
    »Ist sie selbst zum Essen nicht gekommen?«
    »Nein, aber ich vertraue darauf, dass sie zum Abendmahl erscheint. Wolltest du zu mir, Marian?«
    »Tatsächlich, jetzt, wo du mich fragst. Ja, ich wollte dir die Neuigkeiten aus dem Turm berichten und dich um einen Rat bitten.«
    »Komm ins Kontor. Frieder, Jerkin hat eine Beute geschlagen, ruf ihn zurück!«

13. Kapitel
    S orgsam legte Alyss den Gürtel mit einer kostbaren Goldemaille-Arbeit in den Kasten, der ihren Schmuck enthielt. John hatte ihn ihr mitgebracht, und diesmal hatte sie sich nicht gesträubt, sein Geschenk anzunehmen. Nein, sie hatte sogar die originelle Arbeit bewundert. Die Schließe zeigte nämlich das Abbild ihres Siegels, doch statt des Spiegelwappens hielt die Frau einen Falken auf der Hand.
    Ein Versprechen an die Zukunft?
    Mochten sie auch stachelige Worte finden, wenn sie einander begegneten, in ihrem Herzen hatte Alyss sich doch schon lange eingestanden, dass John of Lynne der Mann war, dem sie vertraute und den sie achtete. Und den sie begehrte.
    Ein Hindernis war beseitigt – Arndt war tot.
    John hingegen noch verheiratet.
    Dennoch hatte sie zum Besuch der Sonntagsmesse den Gürtel mit der Siegelschließe angelegt und auch die Jacke aus weißem Pelz getragen, die er ihr von seiner vorigen Fahrt mitgebracht hatte. Einige missbilligende Blicke hatte sie auf sich gezogen, aber sie war hocherhobenen Hauptes durch die Kirche geschritten, bei ihr das Hauswesen in seinem besten Staat. Nur Lauryn hatte sie noch nicht erlaubt mitzugehen. Sie war zwar fieberfrei und hatte auch wieder etwas Appetit, fühlte sich aber noch ein bisschen wackelig auf den Beinen. Außerdem lastete etwas auf ihrem Gemüt. Wie Alyss annahm, hing das mit den Rosen zusammen, die Tilo ihr geschickt hatte. Anfang des Jahres war sie noch glücklich und aufgeregt wegen ihrer Verlobung mit Wulf gewesen, doch als Tilo nach seinem Abenteuer bei den Seeräubern zurückgekehrt war, waren auch ihre Herzensnöte wieder erwacht.
    Bei Gelegenheit würde sie sie deswegen noch mal zur Rede stellen. Doch heute war Sonntag, und die Woche war anstrengend und voller böser Überraschungen gewesen. Es war ganz richtig, dass man am siebten Tag ruhen sollte. Auch wenn der Herbst mit kühler, feuchter Luft Einzug gehalten hatte, nahm Alyss ihr Wolltuch um die Schultern und ging in den Hof hinunter, um den Falken fliegen zu lassen.
    Vor anderthalb Jahren, kurz bevor Robert

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