Mit falschem Stolz
ein …«
»Ja, das fremde Volk zu sehen, daran ergötzt Mats sich gerne. Aber diesmal war ein Mann da, der wohl zu plötzlichem Reichtum gekommen ist und der in seiner Glückseligkeit die Gäste freihielt. Auch Mats hat einen zweiten Humpen geleert. Daran erinnert er sich. Dann aber verschwimmt alles, sagt er. Er fühlte sich trunken und wollte nach draußen gehen. Im Gedränge aber hat er sich den Kopf angeschlagen. Oder er wurde ihm angeschlagen. Mehr weiß er nicht.«
»Bilsenkrauttinktur macht den Menschen benommen.«
»Das Bier …?«
»Nein, nicht das Bier von Frau Franziska. Sie verwendet keine Bilsen in der Grut. Es war weit stärker, denn die Wirkung hat ja offensichtlich tagelang angehalten. Trine – Ihr kennt ja die Apothekerin – hat es an ihm gerochen. Jemand hat ihm die betäubende Essenz der Bilsen in das Bier getan, denke ich. Und ihn, als er wie trunken hinauswankte, bewusstlos geschlagen.«
Gislindis nahm noch einen Bissen von dem Wecken und spülte ihn mit dem Traubensaft hinunter. Ihr Blick hatte seine Trübe verloren und glänzte wieder.
»Man hat es ihm angetan, glaubt Ihr?«
»Ich bin von Mats’ Unschuld überzeugt, Gislindis. Ge nau wie Marian sind wir es schon von Beginn an. Und so fügt sich eins zum anderen – jemand hat Euren Vater benutzt, hat versucht, das Verbrechen einem Mann anzulasten, der sich nicht wehren kann. Aber, Gislindis, wer immer das war, hat eines nicht bedacht – Mats mag zwar nicht selbst sprechen. Aber er hat Freunde, die es für ihn tun.«
»Geschenke verpflichten.«
»Nein, Gislindis, Ihr geht keine Verpflichtung ein.« Und Alyss erkannte plötzlich den unbezähmbaren Wunsch nach Unabhängigkeit, der Gislindis’ Handeln bestimmte. Sie lächelte, und ihr seltenes Lächeln verfehlte seine Wirkung nicht. Gislindis lächelte zurück.
»Ich verlange Silbermünzen. Auch von Euch, Frau Alyss.«
»Sicher – eine Ware gehört bezahlt. Und Nachrichten, Wissen und Ratschläge sind Eure Waren. Aber oft genug, Gislindis, habt Ihr mir daneben auch Trost und Hoffnung geschenkt.«
»Habe ich das?«
Diesmal war sogar schon ein kleines Zwinkern in ihren Augenwinkeln zu erkennen, und mit zwei großen Bissen verschwand der Rest des süßen Weckens.
»Der Mann mit dem harten Blick unter verhangenen Lidern vermag seinen Zorn mit süßen Worten zu verbrämen. Doch er stellt viele Fragen über den Verbleib seines struppigen Dieners.«
»Das, Gislindis, ist mir nicht fremd.«
»Nein, und er wird Euch Rede und Antwort stehen. Jetzt.«
»Warum jetzt?«
Gislindis schüttelte leise lachend den Kopf.
»Ach, das wisst Ihr doch selbst, wohledle Dame.«
Alyss bemerkte, wie ihre Wangen heiß wurden, und sie nahm den Becher mit dem kühlen Saft, um ihr Gesicht dahinter zu verbergen. Gislindis’ Blicke reichten bei Weitem zu tief.
»Dennoch, Frau Alyss – nichts ist ohne Kehrseite, und die Süße birgt Bitteres.«
»So will ich auch die bitteren Tropfen nehmen und hoffen, dass die Süße sie mildern wird. Sprecht.«
»Euer Gatte traf am Sonntag in Köln ein und wurde in einem Hurenhaus am Hungksrücken gesehen.«
»Gislindis, er hatte eine Buhle in Riehl. Sie wird sich weit mehr darüber grämen als ich.«
Die Schlyfferstochter nickte.
»Der Untreue wegen sicher. Doch ich weiß nicht … Es könnte mehr dahinter sein als die Lust eines geilen Mannes. Warum Geld ausgeben, wenn man eine Buhle hat?«
»Er hatte kein Geld mehr«, sann auch Alyss laut. »Ja, eine Frage, die nach Antwort sucht.«
Gislindis leerte ihren Becher und streckte die Hand über den Tisch.
»Ein Silberling, Frau Alyss.«
»Für geleistete Dienste?«
»Für einen Blick in Euer Pfötchen.«
Alyss nestelte ihren Beutel vom Gürtel und nahm die gewünschte kleine Münze heraus. Sie legte sie vor sich auf den Tisch. Gislindis nahm ihre Hand und schaute verträumt auf die Linien darin.
»Er kommt gerne auf Eure Faust zurück, der schöne Falke. Bänder sind gelöst, andere werden geknüpft. Doch hoch oben, versteckt hinter den dunklen Wolken, lauert einer mit schwarzem Gefieder.« Sie flüsterte nur noch, und die Härchen auf Alyss’ Armen stellten sich auf. »Seit Langem, geduldig, bereit zu vernichten, was hell und schön ist. Hütet Euch vor dem Hinterhalt. Ihr besitzt zu viel von dem, wonach es ihn gelüstet. Hütet Eure Liebe vor den Augen der Welt.«
Gislindis gab ihre Hand frei, aber Alyss stellte keine Fragen zu dem, was sie gehört hatte. Sie würde keine Erklärung bekommen. Aber die
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