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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vorigen Sonntag. Ich sah sie mit ihren Schwestern zur Kirche gehen. Sie hingegen bemerkte mich nicht. So war ich es zufrieden und bin, kurz bevor die Tore geschlossen wurden, wieder zurück nach Riehl gewandert. Dort allerdings fand ich Arndt nicht mehr vor. Ich mache mir Vorwürfe, John. Hätte ich sorgfältiger meine Wache gehalten, hätte ich bemerkt, dass auch er die Stadt betreten hat. Und möglicherweise hätte ich sogar beobachten können, wer ihm ans Leben ging.«
    »Verhindert hättest du es nicht?«, hatte Marian gefragt und nur einen langen Blick geerntet.
    Nein, verhindert hätte Robert es nicht. Arndt selbst hatte seinen Tod in Auftrag gegeben.
    »Ich habe von Montag an die Stadt nach ihm abgesucht, aber an keiner der möglichen Stellen fand ich eine Spur. Allerdings wollte ich auch nicht zu auffällig nach ihm fragen. Ihm zu begegnen, danach stand mir nicht der Sinn. Dass sein kalter Leichnam im Turm lag, wusste ich je doch nicht. Und selbst wäre es mir bekannt gewesen, hätte ich nichts unternehmen können.«
    »Wer hat dich an die Büttel verraten?«
    »Keine Ahnung. Aber wisst Ihr, ein hässlicher Mann in Lumpen ist von vornherein verdächtig. Irgendein gottesfürchtiger Mensch hatte wohl Sorge, von mir in seinem Bett ermordet zu werden.«
    »Wo hat man dich gefasst?«
    Robert war verlegen geworden.
    »Am Dienstagmorgen am Konvent am Eigelstein.«
    »So so.«
    »Ich hatte sie zwei Tage nicht gesehen und machte mir Sorgen. Gott im Himmel, hätte ich gewusst, wessen man sie anklagte …«
    »Auch da hättest du nichts tun können.«
    Ein Frachtkarren rollte an Marian vorbei und verspritzte schlammiges Wasser. Er sprang beiseite und prallte auf eine Wäscherin, die ihn gröblichst beschimpfte. Er entschuldigte sich zwar wortreich, aber das beendete das Keifen nicht. Also nahm er endlich seine Beine in die Hand und eilte durch die Gassen in Richtung Alter Markt. Es war Erntezeit, überall wurden von den Bauern die Früchte des Feldes angeboten. Körbe voller rotbackiger Äpfel gab es da, reife Birnen, gelbe Quitten, Kohlköpfe, Möhren, Zwiebeln und Gurken häuften sich an den Ständen. Aber auch Tontöpfe, in denen Obst und Gemüse eingelegt werden konnten, Krüge mit Essig, andere mit Honig, grobes Salz – alles, was zum Haltbarmachen diente, konnte man hier ebenfalls erwerben. Zähes Feilschen, lautes Anprei sen, Gelächter und Gezeter erfüllten die Luft, und wie immer bei diesen Geräuschen lauschte Marian unwillkürlich nach der fröhlichen Stimme, mit der Gislindis die Dienste ihres Vaters verkündete. Doch keines der kecken Liedchen erklang, der Schleifstein schwieg.
    Mats wurde noch immer im Kerker festgehalten. Marian hatte kurz mit ihm gesprochen. Der Schleifer hatte seine Benommenheit überwunden, aber es war Marian nicht möglich, die gutturalen Laute zu deuten, mit denen er sich zu verständigen suchte. Immerhin bekam er genug zu Essen und hatte Kleidung und eine weitere Decke erhalten, hatte Robert gesagt.
    Marian musste Gislindis aufsuchen. Auch wenn sie ihn nicht sehen wollte. Spätestens bei der Gerichtssitzung würde er erwirken müssen, dass sie mit Mats sprechen konnte, um endlich Klarheit darüber zu gewinnen, wohin ihr Vater sich in der Sonntagnacht begeben hatte, nachdem er den Adler verlassen hatte.
    Über diese Gedanken hatte er die Witschgasse erreicht und betrat den Hof. Frieder stand mit dem Falken auf dem Arm am Verschlag und redete sanft auf das Tier ein. Das Käppchen hatte er ihm bereits abgenommen, und der Vogel hielt seinen Blick aufmerksam auf ihn gerichtet.
    »Hast du gelernt, mit den Tieren zu reden wie der heilige Franziskus, Frieder?«
    Der grinste.
    »Nicht ganz genauso, aber sie verstehen sehr viel, wenn man sich Mühe mit ihnen gibt. Mehr, als man meint.«
    »Das ist auch bei jungen Männern manchmal so.«
    »Pff.«
    »Wie geht es deiner Schwester?«
    »Sitzt unten in der Küche und ist schon wieder in der Lage, Kuhaugen zu machen.«
    »Du verstehst Tiere ja seit Neuestem. Warum gleicht sie einem Rind?«
    Frieder warf den Falken ab, der sich sogleich in den graubewölkten Himmel erhob und einen lauten Schrei ausstieß.
    »Tilo hat ihr Rosen gepflückt. Macht die Weiber ganz wibbelig.«
    »Ja, das haben diese Gewächse so an sich. Hast du ihre Wirkung auch schon ausprobiert?«
    »Mhm. Nicht mit Rosen.« Und dann zwinkerte er Marian zu. »Aber wibbelig werden sie bei mir auch.«
    »Alle?«
    »Alle, auf die es ankommt.«
    »So hast du nicht nur Falkenweibchen

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