Mit falschem Stolz
Warnung war ernst, und sie würde sie beachten.
»Danke«, sagte sie stattdessen und schob die Silbermünze zu Gislindis. Flugs war sie verschwunden.
»Kommt Ihr alleine zurecht, Gislindis?«
»Ja, Frau Alyss. Für eine Weile noch.«
»Wenn nötig, schluckt bitte Euren Stolz herunter.«
»Er ist ein harter Brocken, mein Stolz.«
»Ich weiß. Erstickt nicht daran.«
Zu gerne hätte Alyss noch ihren Bruder Marian erwähnt, doch Gislindis war schon aufgestanden, sichtlich bestrebt, das Haus zu verlassen. Sie begleitete sie schweigend zum Tor.
Im Hof traf sie Peer, der ein leeres Fass zum Kelterhaus rollte. Er blieb stehen und meinte: »Ich hab dem Merten die letzten drei Fässer Roten aus Burgund mitgegeben, er hat einen Kunden in Rodenkirchen. Was wollt Ihr unternehmen? Nur noch den Pfälzer anbieten?«
»Darüber muss ich mir Gedanken machen, Peer. Besser wäre es, wir hätten auch Rotwein im Lager. Willst du nach Burgund reisen?«
»Ist eine lange Strecke.«
»Sollte ich Merten schicken?«, sprach sie ihren Gedanken laut aus.
»Traut Ihr ihm?«
Das tat sie nicht. Obwohl er sich im vergangenen halben Jahr tatsächlich verantwortungsvoll um den Wein verkauf an die Kunden vor der Stadtmauer gekümmert hatte. Aber ganz und gar verlässlich erschien er ihr nicht. Er kam und ging, wie er wollte, tauchte manchmal tagelang nicht auf, den Anteil an dem Verdienst, den sie ihm zugestand, gab er für allerlei Schnickschnack aus. Er war im Grunde ein eitler Geck und hatte den gewissenhaften Umgang mit Geld nie gelernt. Sie hatte Nachsicht mit ihm geübt, denn er hatte früh seinen Vater verloren, und seine Mutter hatte bald darauf Arndt van Doorne geheiratet, der sich wenig um ihn gekümmert und schon gar nicht seine Ausbildung im Handel unterstützt hatte. Dann starb, als er eben vierzehn war, auch seine Mutter. Nach ihrem Tod lebte Merten bei seiner Großmutter Trude de Lipa, eine zänkische Frau von großer Gehässigkeit. Von Arndt hatte er immer wieder Geld eingefordert, das ihm als Erbe seines Vaters de Lipa zustand, wie er argumentierte. Arndt gab ihm, worum immer er bat, später zahlte Alyss, nachdem sie festgestellt hatte, dass er wirklich keinen Geschäftsverstand besaß. Doch als sie herausgefunden hatte, dass Arndt seinen Handel mit Verlusten führte, hatte sie ihre Großzügigkeit beendet, und Merten musste sehen, wie er mit seiner Großmutter zurechtkam. Offensichtlich aber war Trude de Lipa geizig genug, ihren Enkel nicht zu unterstützen, und so hatte er sich angeboten, im Weinhandel mitzuarbeiten. Immerhin hatte ihn sein lustiger Lebenswandel mit vielen jungen Männern aus vermögenden Familien zusammengebracht, die ständig großen Bedarf an guten Weinen hatten.
Er lieferte die Fässer aus, rechnete, soweit sie es bisher feststellen konnte, ehrlich ab und erhielt seinen Gewinnanteil. Doch ihn zum Einkaufen in die Ferne zu schicken – nein, das Risiko mochte sie denn doch nicht eingehen.
Das Problem Rotwein aber brauchte sie nicht gleich zu lösen – anderes war weit wichtiger.
An diesem Vormittag würde wieder das Schöffengericht tagen, und John wollte sich dafür einsetzen, dass sein Diener von jedem Verdacht freigesprochen wurde, Arndt van Doorne umgebracht zu haben.
Mit Ungeduld wartete sie auf sein Kommen.
Es gingen das Mittagsmahl und auch der frühe Nachmittag darüber hin, bis schließlich Marian und John eintrafen. Alyss, die mit Frieder und Tilo im Rebgarten arbeitete, legte die Schere in den Korb und eilte auf sie zu.
»Catrin ist frei«, waren Marians erste Worte.
»Mein Diener ebenfalls«, ergänzte John.
Alyss murmelte ein leises Dankgebet. Dann rief sie das Hauswesen zusammen.
Die Jungfern eilten aus den Gemüsebeeten herbei, wo sie Kräuter beschnitten und Unkraut gerupft hatten, Hilda schubste Herold zur Seite, der nach ihren Waden hackte, Benefiz hechelte mit den Jungen aus den Reben herbei.
Sie versammelten sich in der Küche, und Marian begann seinen Bericht.
»Drei der Schöffen fehlten noch, sie liegen auf den Tod krank danieder, die anderen haben sich erholt. Overstoltz hat noch einmal versucht, Catrin und Mats als blutrüns tige Tollhäusler darzustellen, aber die Gnadengesuche überzeugten die anderen Mitglieder des Schöffenkollegs. Einige kennen die Beginen und auch den Ruf, den Catrin als Wehmutter hat. Endres Overstoltz hat sich mit seiner gehässigen Anschuldigung ziemlich lächerlich gemacht.«
»Er ist ein bonehead , aber er war wütend.«
»Er war
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