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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schöffen weiterwanderten. Sie waren es, die den Mord aufzuklären hatten. Sie führten die Befragungen durch und bildeten sich ein Urteil. Im Falle Catrin und Bob hatten sie in der Mehrzahl vernünftig entschieden. In der Mehrzahl – was wiederum zu Endres Overstoltz führte, der offensichtlich seinen Schöffenruhm damit erwerben wollte, dass er van Doornes Mörder dingfest machte.
    Und zwar auf Grund seiner krausen Theorien.
    Mochte der Teufel wissen, was er sich als Nächstes ausdenken würde.
    Warum lag ihm so viel daran, den armen Mats zu beschuldigen? Deckte er vielleicht selbst den eigentlichen Mörder?
    Es war an der Zeit, sich den Overstoltz etwas genauer anzusehen. Frau Almut hatte ihn eine schlaffe Bleich wurz genannt, was nach Marians Ansicht eine treffende Charakterisierung war. Köln war ein Dorf, wenn es um Klatsch und Klüngel ging. Er selbst hatte einige Freunde in den Patrizierfamilien, die er zu den Overstoltzens befragen konnte. Allerdings waren die meisten in seinem Alter, und was immer dieser Endres in der Zeit der Verbundbrief-Unruhen getrieben hatte, war in ihren frühen Jugendjahren geschehen.
    Marian zog sich die weichen Stiefel an die Füße. Es würde wohl recht nützlich sein, Magister Jakob einen Besuch abzustatten, sich nach seinem Befinden zu erkundigen, ihm die neuesten Entwicklungen zu schildern und ihn über Endres Overstoltz auszufragen.
    Der Notarius saß an seinem Schreibpult, bleich wie das Pergament vor ihm, die Brille vor den Augen, den Federkiel in der Hand. Diesen legte er nieder und sah Marian über den Rand der Gläser an.
    »Erzählt mir nicht, ich solle das Bett hüten«, begrüßte er ihn mit tonloser Stimme. »Ich weiß nicht, warum den Weibern so viel daran liegt, einen Mann ans Lager zu fesseln.«
    Darauf fielen Marian etliche Antworten ein, jedoch wollte er keine davon vor dem trockenen Magister aussprechen. Nicht, dass der Mann keinen Humor gehabt hätte – den besaß er auf eine eigenartig hintergründige Art durchaus –, aber er war unbeweibt und das aus einem Grund, den er gut zu verheimlichen wusste.
    »So Ihr Euch kräftig genug fühlt, eine Feder in der Hand zu halten, Magister Jakob, wird es Euch nicht schaden, das Krankenbett zu verlassen. Wie weit aber ist Euer Hirn schon wieder erstarkt, dass es juristische Spitzfindigkeiten erdenken kann?«
    »Mein Gedärm war in Aufruhr, Herr Marian, nicht mein Hirn. Setzt Euch, und beichtet Eure Untaten, aus denen ich Euch befreien soll.«
    »Ich bemühe mich, wenige Untaten zu begehen. Im Gegenteil, gute Taten säumen meinen Weg. Frau Catrin ist in ihren Konvent zurückgekehrt.«
    Die kleine rotbraune Katze schlich sich an das Pult heran und schaute gebannt nach oben. Über den Rand ragte das Ende der Schreibfeder. Marian beobachtete sie, sagte aber nichts.
    »So ist Frau Catrins Unschuld erwiesen?«
    »Die Gnadengesuche und ihr guter Leumund überzeugten die Schöffen. Bis auf einen, Magister Jakob, und deswegen bin ich hier. Was könnt Ihr mir zu Endres Overstoltz sagen, Notarius?«
    Die Katze setzte zu einem Sprung an, und schon hatte sie die Feder erjagt und zog stolz maunzend mit ihrer Beute ab. Der Magister sah ihr nach.
    »Die Hälfte meiner Federn sind für die Katz«, bemerkte er tonlos und zog eine neue aus der Lade in seinem Pult. »Ach ja, der Overstoltz.«
    Dann nahm er seine Augengläser ab, rieb sie unbeholfen an seinem Ärmel und betrachtete sie dann missmutig.
    »Richtet Eurer Schwester aus, dass ich ihren Besuch erwarte.«
    »Gewiss, Magister Jakob.«
    Er legte die verschmierte Sehhilfe auf das Pergament, das er bearbeitet hatte, und wiederholte: »Ach ja, der Overstoltz.«
    Marian, zwischen Ungeduld und Erheiterung schwankend, unterdrückte ein Seufzen.
    »Ja, ja, der Overstoltz«, fuhr der Notarius fort. »Weiß gar nicht, wie der in die Bruderschaft aufgenommen wurde. War Anno 1400, ja. Ja, das war vor drei Jahren. Während der Unruhen hat er, wie fast alle Familien, die Stadt verlassen. Von den Overstoltzens sind einige hingerichtet worden. Ich nehme an, der Endres hatte die Bruche voll.«
    Das kam wieder so trocken von dem Magister, dass Marian hüsteln musste.
    »Nun ja, auch wir haben die Stadt verlassen, Magister Jakob.«
    »Ihr wart Kinder, Euer Vater ist geblieben. Tja, aber der Overstoltz …«
    Wieder versank der Notarius in Nachdenken. Das Kätzchen kam zurück, die gezauste Feder im Maul, und sprang auf seinen Schoß. Er kraulte sie und nahm ihr die Feder ab.
    Was immer die seltsame

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