Mit falschem Stolz
schon hat es gewirkt«, antwortete Marian mit einem Grinsen.
»Du bist ein Schelm, Marian.«
»Nein, ein Heiler, der sich auf seine Kunst versteht. Ist Catrin im Haus?«
»Sie sitzt drüben bei den Seidweberinnen und stickt.«
»Dann hat sie ihre Zunge wieder gebändigt?«
»Vollständig, will mir scheinen, und sie übt sie mit Geschwätz.«
»So will ich sie davon abhalten und zur Pflicht rufen.«
»Aber nein, nein, Marian. Sie soll ruhig ihre Plauderei genießen. Sie hat lange genug die Klausur im Turm erlitten.«
»Noch besser, dann will ich sie mit weiterem Klatsch und Tratsch unterhalten.«
Er schlenderte über den Hof, begrüßte Lilith, die schwarze Konventskatze, Mutter des Revierfürsten Malefiz, und trat dann in das Haupthaus ein. Hier durchquerte er das Refektorium mit seinem langen Tisch, in dem sich derzeit niemand aufhielt, und öffnete dann die Tür zu der luftigen Werkstatt, in der drei Webstühle und vier Münder klapperten.
»Marian!«, riefen die Frauen im Chor, und es klang entzückt. Dieses Entzücken tat ihm wohl, und er verbeugte sich auf geschmeidigste Art. Dann besah er sich die schimmernden Gewebe, lobte die Feinheit der Stoffe und die Fingerfertigkeit der Weberinnen. Es brauchte seine Zeit, bis er Catrin von ihren Beginenschwestern losgeeist hatte, aber schließlich entführte er sie mit der Bitte, ihn in die kleine Kapelle zu begleiten, um ein Dankgebet für ihre Rettung zu sprechen.
Die Kapelle hatte seine Mutter Almut mit eigenen Händen gebaut, und sie war ein Schmuckstück des Konvents. Wohlerhalten und gepflegt trotzte sie seit sechsundzwanzig Jahren Wind und Wetter. Die beiden kleinen Kreuzblumen hatten etwas Moos angesetzt, der Sandstein eine etwas dunklere Farbe angenommen, doch der Holzboden schimmerte seidig und duftete nach teurem Bienenwachs. Das Licht aus der kleinen Fensterrosette warf sein Muster darauf, just vor den Altar aus marmoriertem Stein. Mutter Anna, kunstvoll geschnitzt, beugte sich fürsorglich über die kleine Maria und lehrte sie das Lesen. Doch in einer seitlichen Nische gemahnte eine zerlumpte Gestalt an die Vergänglichkeit des Lebens.
»Seit wann so fromm, Marian?«, fragte Catrin, als sie sich auf die Stufen zum Altar setzte. Das war ihre Angewohnheit, die sie hatte, seit Marian denken konnte. Schon als er noch ein Kind und sie ein ganz junges Mädchen gewesen war, hatten sie sich bei ihren häufigen Besuchen im Konvent immer hierhin zurückgezogen und auf genau diesen Stufen ihre kleinen Heimlichkeiten miteinander geteilt.
»Fromm, Catrin, bin ich seit wenigen Tagen, und das auch nur, weil ein Wunder geschehen ist.«
»Dir ist ein Wunder geschehen? Hast du einen Todkranken ins Leben zurückgeführt? Ein abgetrenntes Bein wieder angenäht, einen Blinden sehend gemacht oder ein gebrochenes Herz geheilt?«
»Spotte nicht, Catrin. Es ist etwas Wahres daran. Aber als Erstes sag: Wie geht es dir? Deine Zunge hat ihre Hemmung verloren, stelle ich fest.«
»Ja, deine Schwester half mir, sie zu lösen. Und deine Mutter tat das Ihrige dazu. Manchmal verfolgen mich noch die Schreckensbilder, aber sie verblassen allmählich, verschwimmen wie in einem trüben Spiegel. Es ist Schlimmes geschehen, aber ich habe meine Ruhe wiedergefunden.« Sie sann eine Weile still nach, dann meinte sie: »Damals, als es Robert traf, war es weit entsetzlicher.«
»Du denkst noch oft an ihn?«
»Ich bete jeden Abend für sein Seelenheil.«
Marian nickte.
»Und der Aufenthalt im Turm. Plagt dich die Erinnerung daran noch?«
Catrin lächelte.
»Marian der Heiler.«
»Es ist kein schöner Ort, Catrin.«
»Nein, aber dank der Unterstützung deiner Mutter und unserer Meisterin ist es mir im Turm nicht zu schlecht gegangen. Auch wenn sich das Essen nicht mit den köstlichen Gerichten unserer Frau Tina vergleichen ließ. Aber ich habe ein hübsches Schleiertuch für deine Schwester bestickt. Das kannst du nachher gleich mitnehmen, die letzten Stiche habe ich eben bei den Weberinnen daran vollendet.«
»Das wird sie sicher freuen. Sie gibt es ja nicht gerne zu, aber sie schätzt schöne Dinge durchaus.«
»Welche Frau tut das nicht?«, meinte Catrin mit feinem Lächeln und schenkte der lehrenden Anna einen liebevollen Blick.
»Ja, Bruder Bertram, der sie geschnitzt hat, stand in der Gnade Gottes, der ihm seine Gabe schenkte. Catrin, warum bist du Begine geworden?«
Überrascht sah sie ihn an.
»Aber das weißt du doch, Marian.«
»Nein, eigentlich nicht. Du hättest
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