Mit falschem Stolz
ernst.«
Er legte zwei Münzen auf die Fensterbank.
»Ja, aber … Ihr wollt wirklich nicht?«
»Nein, sweetheart . Aber dein Geplauder, das würde mich entzücken.«
Hedi hockte sich auf die Betttruhe und schüttelte den Kopf.
»Ein Mann wie Ihr und Keuschheit? Nicht einmal die Minderbrüder halten sich an ihre Gelübde.«
»Mag schon sein, aber ich bin kein Mönch.«
»Nein, wahrlich nicht. Es ist eine Verschwendung, Meister. Und Verschwendung ist Sünde.«
»Eine treffliche Argumentation. Dann werde ich jetzt sündigen und keusch bleiben.«
Hedi kicherte wieder und trank ihren Wein.
»Worüber soll ich denn plaudern? Über Liebesdinge?«
»Gerne, denn ich bin auf der Suche nach einem Mann, der Liebdienerinnen beglückt hat.«
»Ah, um Vergleiche anzustellen?«
»Nein, um zu hören, was er von ihnen begehrte und was sie ihm gaben.«
»Ihr hört Euch komisch an, Meister Johann. Ist es, weil Ihr unsere Sprache nicht richtig kennt?«
John mochte das junge Weib. Sie war zwar eine Dirne, aber nur wenn ihr der Sinn danach stand, verkaufte sie ihre Gunst an Männer. Sie war eine Leinenweberin, leicht herzig und schlau genug, ihre Münzen beisammenzu halten. Er hatte sie bei seinem ersten Aufenthalt in Köln besucht und in jenen Tagen, als sie Roberts Verschwinden bewerkstelligt hatten, mit ihr und ihren Freundinnen heitere Spiele gespielt.
»Mag schon sein. Dann will ich versuchen, Klarheit in meine Worte zu bringen. Hedi, wenn ich ein Hurenhaus auf dem Hungksrücken aufsuchen wollte – welche gibt es dort?«
Hedi schmollte.
»Ooch, ins Hurenhaus wollt Ihr, und bei mir sprecht Ihr von Keuschheit?«
»Auch dort will ich Keuschheit üben.«
Jetzt kniff sie die Augen misstrauisch zusammen.
»Wolltet Ihr die Schwälbchen bekehren und zu Reuerinnen machen?«
»Aber um Himmels willen, nein. Ich suche einen Bekannten, der sich vielleicht dort aufgehalten hat.«
»Mhm, komisch trotzdem. Aber gut, es gibt dort zwei Häuser. Eines ist ein heimliches, das andere, die Eselin, betreibt die Hurenmutter Wynfrida.« Hedi rümpfte die Nase. »Das heimliche verrate ich Euch nicht.«
»Sonst wäre es ja auch nicht mehr heimlich. Das verstehe ich.«
»Wer ist denn der Mann, den Ihr sucht? Kann sein, dass ich ihn kenne.«
»Kann sein. Ein Weinhändler.« John beschrieb ihr Arndt, und sie schüttelte den Kopf.
»Nein, glaub ich nicht. Aber warum seid Ihr so begierig, ihn zu finden?«
»Oh, gefunden wurde er schon. Am letzten Montag, mit durchschnittener Kehle.«
Das tat seine Wirkung. Hedi riss die Augen auf, drückte sich die Hand auf den Magen und stöhnte.
»Hat die Wynfrida ihn gemeuchelt?«
»Das eben möchte ich herausfinden, Hedi. Würde sie so etwas tun?«
Das genüssliche Entsetzen löste Hedis Zunge, und sie lieferte John eine lebhafte Schilderung der Hurenmutter und ihrer Mädchen. Ein lebhaftes, aber auch reichlich abstoßendes Bild. Aber mit diesem Wissen gewappnet machte John sich auf den Weg zum Hungksrücken. Nicht ohne Hedi mit einem langen, heißen Kuss belohnt zu haben.
Aber ein Kuss nur, denn Keuschheit hatte er tatsächlich nach jenen lustvollen Nächten gelobt. Nicht, weil er die Sündigkeit dieses Verhaltens erkannt hatte, sondern weil Ehre und Treue Teil des Minnedienstes waren, den er leistete, seit er seine Mistress gefunden hatte.
Wynfrida, die Wirtin der Eselin war wie erwartet ein Bild von einem Weib. Ein Zerrbild jedoch. Ihre groben Züge waren faltig, um ihren Hals hing die Haut wie schlaffe Lappen, doch sie versteckte ihren schwammigen Busen nicht unter den Gewändern, ebensowenig wie ihre fleischigen, abstehenden Ohren unter der prachtvollen Haube. Ihre Stimme passte zu ihrem Aussehen, war tief und rau, und ihre Sprache war derb und beinahe unverständlich. John hatte größte Mühe, die in kölscher Zunge gesprochenen Worte zu deuten. Nur eines war ganz sicher – geschäftstüchtig war die Vettel. Sie pries ihm ihre Schützlinge an, drei ältliche, fette Huren, vier etwas ansehnlichere Weiber und zwei junge, Kinder fast noch, graugesichtig und von verderbtem Blick. Es kostete ihn viel Zeit, sie abzuwehren, und als er bemerkte, dass schmeichelnde Worte ihm nicht halfen, wurde er ebenfalls derb. Es war schließlich dann ein Zielen ins Ungewisse, aber er hatte Erfolg mit der Drohung, sie wegen des Mordes an Arndt anzuklagen. Einem der jüngeren Hürchen entwischte der Hinweis auf den lautstarken Streit mit dem Patron, der sein Geld eingefordert hatte. Die Hurenmutter ohrfeigte
Weitere Kostenlose Bücher