Mit falschem Stolz
sie darob und stieß John mit Schmähworten aus dem Haus.
Er ließ es zu, und auf der Straße schüttelte er sich vor Ekel. Dann eilte er zum Alter Markt, um sich juristischen Rat zu holen.
16. Kapitel
F rau Almut hatte Nachricht geschickt, dass sich das Hauswesen zu einer kleinen Feier im Haus derer vom Spiegel einfinden möge. Catrins Befreiung aus dem Kerker war der eine Anlass, der zweite, nun, darüber hatte sich Alyss so ihre Gedanken gemacht. Vor allem, als sie hörte, wer alles eingeladen worden war. Beispielsweise Herr Fredegar. Und Herr Arbo ebenfalls, was Leocadie in Verzückung geraten ließ. Zwei Ritter würden die Tafel schmücken. Aber auch die Pelzhändler Richwin und Wynand Brouwer, was wiederum Hedwigis entzückte. Dazu Meister Peter und sein patrizisches Weib Wiltrud, was Alyss weniger entzückte. Hedwigis’ Mutter war von hochnäsigem Dünkel und aufgeblasenem Getue. Nun ja, Frau Clara würde ihr auf ihre milde Art den Wind aus den geblähten Segeln nehmen. Magister Jakob hatte bedauerlicherweise sein Kommen abgesagt; noch fühlte er sich zu schwach, das Haus zu verlassen, John hatte jedoch zur Freude des Hauswesens zugesagt, an dem Festessen teilzunehmen.
Alyss legte ein Surkot aus dunkelrotem Wolltuch an, dessen Ärmel und Saum mit schwarzem Samt verbrämt waren. Ein kostbares Gewand, das sie selten trug, doch die Eitelkeit gab ihr den kleinen Schubs, es zu wählen. Die hoch auf dem Kopf aufgesteckten Zöpfe bedeckte sie mit dem zarten Schleiertuch, das Catrin für sie bestickt hatte, und gewissenhaft zupfte sie einige ihrer schwarzen Löckchen darunter heraus. Der Silberspiegel zeigte ihr eine Frau von majestätischer Haltung, und genau das wollte sie erreichen. Sie war eine Witwe, doch sie stand einem Geschäft und einem Hauswesen vor, sie führte ihr eigenes Siegel und verfügte über ein ansehnliches Vermögen. Und sie war die Tochter derer vom Spiegel.
Es wurde Zeit, sich aus dem Schatten ihrer Eltern zu erheben.
Nicht dass sie diesen Schatten in irgendeiner Form abgelehnt hätte, sie liebte und bewunderte Ivo vom Spiegel und ihre Mutter Almut von ganzem Herzen. Aber seit sie die Nachricht von Arndts Tod erhalten hatte, fühlte sie, dass sich eine Veränderung anbahnte. Eine Last war von ihr genommen, ein Gefühl von Freiheit und Stolz auf die eigene Leistung erfüllte ihr Gemüt.
Die Jungfern, ebenfalls in ihren Festtagskleidern und mit blumengeschmückten Seidenchapels auf den offenen Haaren, brachen in bewundernde Rufe aus, als sie sich im Hof zu ihnen gesellte, um auf John zu warten. Frieder, in seinem besten Wams und mit sorgfältig gekämmten Haar en, starrte sie mit offenem Mund an, Tilo lächelte und verbeugte sich gewandt. Merten, ebenfalls als Teil des Hauswesens eingeladen, hatte sich in enge, farbenprächtige Beinkleider und eine schimmernde Schecke gewandet, von dem Barett auf seinen Locken nickte anmutig eine Feder, als er vor Alyss in die Knie ging.
»Frau Alyss, Ihr blendet uns alle mit Eurer Schönheit«, sagte er, und John, der eben hinzutrat, ließ seinen schwerlidrigen Blick über sie streifen. Er jedoch kniete nicht nieder, sondern bot ihr geistesgegenwärtig seinen angewinkelten Ellenbogen.
»My Lady, seid Ihr geneigt, meinen Arm zu nehmen?«
»Brauche ich Eure Stütze, Master John?«
»Nicht Ihr, my Lady, meine Knie sind es, die weich werden bei Eurem Anblick. Eben erst erkenne ich, was damit gemeint ist, wenn man den Menschen die Krone der Schöpfung nennt.«
Ihr seltenes Lächeln flog über ihr Gesicht, als sie ihre Hand in seine Armbeuge legte.
»So nehmt denn meine Stütze an, Herr des Nordvolks.«
»Psst, nicht doch.«
Merten, so um seine ritterliche Artigkeit gebracht, bot Leocadie den Arm, Tilo Lauryn, die darob erstrahlte wie die Sonne im Morgenlicht. Frieder ging zu Hedwigis, die – allerdings nicht seinetwegen, sondern in Erwartung ihres Anbeters – ein freundliches Gesicht machte.
Lang war der Weg nicht von der Witschgasse zum Alter Markt, doch die Menschen auf der Straße blieben stehen, um der festlich gewandeten Prozession nachzusehen.
Der Herr vom Spiegel weilte noch immer auf den Gütern, doch Frau Almut empfing die Gäste an der Seite ihres Sohnes Marian und des Ritters Fredegar von Sechtem. Catrin und Frau Clara, zu diesem Anlass nicht in grauer Beginentracht, sondern in lichtblauem und tannengrünem Tuch, begrüßten das Hauswesen mit großer Herzlichkeit. Frau Wiltrud jedoch überstrahlte alle in ihrem prunkvollen Putz,
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