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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schreibkästchen ein, und sie setzten sich an den langen Tisch.
    »Arndt van Doorne war tatsächlich in dem Hurenhaus am Hungksrücken – er hat es vor einigen Monaten gekauft.«
    Gislindis fehlten die Worte, dann fand sie sie wieder, und als sie sie ausstieß, nickte ihre Besucherin beifällig.
    »Ja, so etwas Ähnliches ging mir auch durch den Kopf. Man soll zwar über Verstorbene nichts Übles reden, aber in diesem Fall …«
    »In diesem Fall wüsste man kaum etwas Gutes zu sagen, da habt Ihr wahrlich recht, Frau Alyss.«
    »Habt Ihr noch einmal mit Eurem Vater sprechen können, Gislindis?«
    »Nein, ich …«
    Donnernde Schläge krachten an die Haustür, und sie zuckten zusammen.
    »Aufmachen. Die Wachen!«
    »Großer Gott!«, schrie Gislindis auf.
    Alyss drückte ihr die Hand. Wieder donnerte es an der Tür.
    »Macht auf. Weglaufen könnt Ihr nicht.«
    Zitternd erhob sich Gislindis und ging zum Eingang. Drei bullige Büttel, in Harnisch und bewaffnet, standen mit grimmigen Mienen davor.
    »Gislindis, Tochter von Mats Schlyffers, Ihr werdet beschuldigt, Euren Vater zum Mord an dem wohledlen Herrn Arndt van Doorne angestiftet zu haben. Ihr werdet im Turm befragt.«
    Einer der Männer trat vor und senkte den langen Stab mit dem Halseisen.
    »Lasst das!«, befahl Alyss. »Sie begleitet Euch freiwillig!«
    »Wer seid Ihr?«
    »Alyss vom Spiegel. Der Tote war mein Gatte.«
    »Hah!« sagte der Büttel, und in dem Augenblick schloss sich das Eisen um ihren Hals. »Zwei auf einen Streich.«
    Vollkommen entsetzt fasste Alyss sich an die Kehle. Gislindis nahm ihre Hand.
    »Gehen wir!«, sagte sie mit fester Stimme.
    Es war ein Spießrutenlaufen. Den ganzen Weg von der alten Stadtmauer bis zum Eigelsteinturm wurden sie angegafft, angepöbelt und mit Schmähworten bedacht. Gislindis biss die Zähne zusammen, hielt weiter die Hand ihrer Begleiterin fest, die mit versteinerter Miene neben ihr ging und keine Regung zeigte. Die Schlyfferstochter machte sich Vorwürfe. Bitterste Vorwürfe. Sie hätte es sich denken können, dass früher oder später irgendein missgünstiger Geselle sie und auch die Witwe des Opfers anklagen würde.
    Endlich hatten sie den Turm erreicht, das Halseisen wurde gelöst, und sie wurden in ein halbdunkles Gelass geführt. Es war ein anderer Wachmann, der kurz darauf mit zwei Decken in der Hand zurückkam und sie ihnen zuwarf.
    »Warum sind wir hier, Wachmann?«, fragte Alyss heiser.
    »Wohledle Frau, der Schöffe Overstoltz will Euch befragen. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Danke, Wachmann.«
    Als die Tür hinter ihm zugefallen war, breitete Gislindis die Decke auf dem Strohsack aus, setzte sich nieder und schlang die Arme um die Knie.
    »Meine Schuld, Frau Alyss. Meine Schuld.«
    Arme legten sich um sie und hielten sie fest.
    »Nicht deine Schuld, Gislindis. Ich fürchte, eher die meine. Wir haben diese schleimige Bleichwurz von Overstoltz gekränkt, und nun will er seine Rache haben.«
    »Ich hätte Euch warnen müssen, wohledle Frau.«
    »Quatsch. Und, Gislindis, lass doch endlich die Wohledle. Sei meine Freundin. Ich brauche eine, und du auch.«
    Es war eine so entsetzliche Situation, so abgrundtief grauenvoll. Gefangen, angeklagt, der Willkür von Vogt und Schöffen ausgesetzt. Die Angst übermannte Gislindis, und sie umklammerte Alyss, barg ihren Kopf an ihrer Schulter und seufzte zitternd auf.

18. Kapitel
    A uch an die Tür von Johns Kammer bei Frau Mech tild wurde donnernd geklopft. John, der seine Frachtpapiere prüfte, sah ungehalten auf, als Frieder vor ihm stand. Der Junge keuchte und schnaufte, als sei er schnell gelaufen.
    »Was gibt es? Hast du Jerkin gemeuchelt?«
    »Master John, Frau Alyss ist verschwunden. Habt Ihr sie gesehen?«
    Sehr langsam legte John die Pergamentrolle nieder.
    »Seit wann, Frieder, ist sie verschwunden?«
    »Sie wollte heute nach der Sext zu Gislindis gehen. Und zur Terz war sie noch immer nicht da. Und in Gislindis’ Haus ist niemand. Und die Nachbarin sagt, die Büttel waren da.«
    Frieder rang seine Hände.
    »Wen hast du sonst noch nach ihr gefragt?«
    »Niemanden. Ich bin gleich zu Euch!«
    »Sie könnte bei ihrer Mutter sein.«
    »Ja, aber sie wollte mit den Jungfern zum Schneider gehen, wegen Leocadies Brauttruhe. Aber sie kam nicht. Darum hat mich die Hilda ja zur Gislindis geschickt. Und da waren die Büttel gewesen.«
    »Begleite mich zum Turm, Frieder.«
    John rang seine aufsteigenden Befürchtungen nieder und gab sich gelassen. Aber mit seinen

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