Mit falschem Stolz
Leib einzeln gebrochen. Aber es scheint, dass unser bedachtsamer Notarius der spitzen Feder den Vorrang vor dem Schwert gibt.«
»Sie sticht am rechten Fleck, meine Herren, doch wäre ich in der Lage, ein Messer zu führen – ich wählte es in diesem Fall.«
Der langweilige Klang der notariellen Stimme glättete Marians Gefieder, und er nickte.
»Spitzt sie gut. Was schlagt Ihr vor?«
»Ich werde an der Befragung teilnehmen. Eben stelle ich den Antrag dazu.«
»Gut.«
»Dann werde ich die Urteilsschelte vorbereiten.«
»Was da heißt?«
»Dass ein schöffenbarfreier Mann das Urteil der Schöffen öffentlich schelten kann.«
»Wer ist schöffenbarfrei?«
»Jeder, der für das Amt des Schöffen zugelassen werden kann – Adel und freie Bürger. Aber das nur für den Notfall. Zuvor wollen wir es mit einer Supplikation versuchen. Es werden sich wohl Männer dazu bereitfinden.«
»Ihr sprecht in einer Zunge, die mir fremd ist, Magister Jakob.«
»Die Zunge der Juristen. Supplikation ist die kniefällige Bitte um Gnade.«
»Ich gehe jederzeit für meine Schwester auf die Knie, aber sie braucht keine Gnade. Sie ist unschuldig, ebenso wie Gislindis«, fauchte Marian.
»Ja, ja, ich weiß. Aber Ihr wollt eine schnelle Lösung.«
»Dann bereitet die Bittschrift vor, Magister Jakob. Ich werde für Frau Alyss bitten. Auf Knien flehen, wenn nötig.«
»Ihr seid ein Fremder und ein Handelsherr, Master John. Ich zweifle nicht an Eurem Stand und Eurer Ehre, doch …«
»Wir haben auch zwei Ritter, die für meine Schwester die Knie beugen werden.«
»Ja, Sir Fredegar und Sir Arbo werden es tun. Reicht das, Notarius?«
Der nickte.
»Und der Abt von Groß Sankt Martin wird sich auch auf die Knie begeben.«
»Ihr habt einflussreiche Freunde, Herr Marian.«
»Und einflussreiche Feinde.«
»Ja, ja, der Overstoltz.«
»Hört endlich auf, so sinnreich ›ja, ja, der Overstoltz‹ zu murmeln, Magister. Was ist mit dem modrigen Leberegel?«, blaffte Marian.
»Er ist ein Mann mit großen Ambitionen und hat sich seinen Weg – mhm – sorgsam bereitet. Soweit ich es he rausgebracht habe, stützt er sich auf allerlei Nachfor schungen, die sein Secretarius für ihn anstellt.«
»Secretarius – Gott, Mann, muss man Euch jeden Wurm aus der Nase ziehen? Wie heißt er, wer ist er, wo findet man ihn?«
»Langsam, Herr Marian, langsam. Der Secretarius nennt sich Anton Scriver und ist ein Bastardsohn irgendeines Overstoltz’.«
»Na wunderbar. Die ganze Sippschaft ist an dem Geklüngel beteiligt.«
»Das will ich nicht ausschließen. Ihr könntet diesen Scriver natürlich aufsuchen und herausfinden, was er über Frau Alyss und die Schlyfferstochter in Erfahrung gebracht hat. Ihr mögt da Eure Methoden haben. Ich hingegen bin nicht befugt, derartige Untersuchungen anzustellen. Meine Aufgabe ist es, mit Wort und Feder die Gerechtigkeit zu erzwingen.«
»Dann tut das. John, wir warten dem Secretarius auf. Am besten mit der Saufeder.«
»Du alleine, Marian, ich habe anderes vor. Aber lass so viel von ihm übrig, dass ich auch noch mein Vergnügen an ihm habe.«
»Was hast du vor, John?«
»Nach Villip zu reiten. Die Angelegenheit, scheint mir, sollte der Lord selbst erfahren. Und zwar von mir, nicht von anderen.«
Es gab Marian einen Stich, dass er nicht daran gedacht hatte.
»Ich sollte ihm die Nachricht bringen.«
»Solltest du, mein Freund, doch brauchen dich deine Mutter, deine Schwester und Gislindis hier. Du bist ein Verwandter und kannst mehr bewirken als ein Fremder.«
Das leuchtete Marian ein, und wenn auch widerwillig gab er zu, dass John wirklich der beste Überbringer der bösen Nachricht war. Ivo vom Spiegel schätzte ihn, auch wenn er es nicht mit großen Gesten zeigte.
»Nun denn. Ich will zunächst das Hauswesen beruhigen und dann meine Mutter von dieser overstoltzen Unverschämtheit in Kenntnis setzen. Magister Jakob, verzeiht meine ungehaltenen Worte. Ich bin in großer Sorge.«
»Schon recht, schon recht. Ich sende Botschaft, wenn ich von der Befragung höre.«
»Fühlt Ihr Euch denn überhaupt schon kräftig genug dafür?«
»Herr Marian, ein gesunder Ärger ist ein hervorragendes Arzneimittel gegen jegliche Art von Schwäche.«
»Ach, Ihr seid zu solchen Regungen wie Ärger fähig?«
»Ja, ja, Herr Marian. Lodernder Zorn wogt in meinem Herzen. Und nun geht, und verplempert meine Zeit nicht.«
Als John und Marian wieder vor dem Haus standen, schüttelte John den Kopf.
»Er ist eine seltsame
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