Mit falschem Stolz
Lukastag.«
»Lukastag?«
Marian sagte: »Stimmt. Der Beginn der Rübenernte fiel auf den Montag.«
»Was haben die Rüben damit zu tun?«
»Die Bauern richten sich nach dem Evangelisten. Es war ein Rübenbauer, der ihn fand.«
John überdachte das kurz und war einverstanden. Es war Zeit, der Hurenwirtin etwas Angst zu machen.
»Wann kam er, und wie lange blieb der Patron bei Euch?«
»Kam nach der Vesper. Wie lang er blieb? Weiß ich nicht. Mit der Gesa hat er’s getrieben.«
»Wir werden mit der Gesa sprechen. Holt sie.«
»Warum? Was geht Euch sein und mein Geschäft an?«
»Weil, Wynfrida, man Euren Patron in den frühen Morgenstunden des Lukastags fand. Ein Messer beendete das Schlagen seines Herzens.«
John hatte die Genugtuung, die aufgeputzte Vettel unter ihrer protzigen Haube blass werden zu sehen.
»Hier ist er lebendig rausgegangen«, keuchte sie heiser.
»Schon möglich, doch wer folgte ihm, Wynfrida?«
»Ich nicht und keines meiner Mädchen.«
»Das wird sich zeigen. Holt Gesa!«
Gesa war eine der hübscheren Huren, die zuvor an den Webstühlen gesessen hatte. Doch war sie nur ein netter Anblick, ansonsten war sie dümmer als Bohnenstroh. Außer dass sie einige pikante Einzelheiten aus Arndts Bettgewohnheiten ausplauderte, bekamen sie wenig Hilfreiches aus ihr heraus. Sie bestätigte aber, dass er nach heftiger Betätigung, bei der sie einiges an blauen Flecken eingesteckt hatte, eine Kanne schweren Weins geleert hatte und dann eingeschlafen sei. Da sie sich breitester kölscher Mundart bediente, musste Marian die ihr mühsam abgerungenen Worte übersetzen. Wynfrida hatte jedoch kein Problem, sie zu verstehen.
»Du hast gesagt, er hätte dich die ganze Nacht gevögelt«, geiferte die Hurenwirtin, und Gesa zuckte zusammen.
John fragte mit nüchterner Stimme: »Ihr seid während der Zeit an seiner Seite geblieben?«
»Mir taten alle Knochen weh. Ich wollte keinen weiteren Freier«, trotzte die Dirne
»Und wann ist er gegangen?«
»Weiß ich nicht.«
»Hast du nicht gemerkt, wann er wach wurde?«
Gesas Füße scharrten auf dem staubigen Holzboden.
»Du hast den Wein mit ihm gesoffen. Meinen Wein! Mit teurem Geld bezahlt!«
Wynfrida ergoss einen Schwall unflätigster Beschimpfungen über die Dirne, und John war sich sicher, dass sie, wären er und Marian nicht zugegen gewesen, auch noch derbe Prügel eingesteckt hätte. Allerdings wusste Gesa sich ebenfalls zu wehren, und das Gezeter nahm ohrenbetäubende Ausmaße an.
John beschloss, den Sturm abzuwarten, doch Marian schien mehr und mehr ungeduldig zu werden. Plötzlich atmete er tief ein, straffte die Schultern, und mit Donnerstimme fuhr er zwischen die Zankenden.
»Ruhe, ihr trunksüchtigen Schnepfen! Macht eure schartigen Schnäbel zu, und faltet euer verlaustes Gefieder zusammen. Ein Mann ist gestorben. Und ihr seid die Letzten, die ihn lebend gesehen haben. Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn wir das dem Turmvogt melden?«
Schlagartig herrschte Stille. Gründliche Stille.
»Schön, und jetzt noch mal: Wann hat Euer Patron das Haus verlassen?«
»Weiß ich nicht. Bin im Morgengrauen aufgewacht, da war er weg.«
»Wer hat den Arndt hier im Haus gesehen?«
»Keiner.«
»Wynfrida!«
»Er ist erst zu mir in die Kammer, wegen dem Zins und so.«
»Habt Ihr sehr laut gestritten?«
»Sie haben laut gestritten, Herr. Und gehört haben wir es alle. Aber nur die Ines hatte einen Freier.«
»Wen?«
»Pater Godfridus«, nuschelte sie.
»Am Sonntag …«
»Er hatte gebeichtet.«
»Na, dann durfte er ja auch sündigen. War er der einzige Eurer – mhm – Gäste an jenem Abend?«
»Nein, zwei junge Burschen, Handwerker, kamen noch. Und ein Flussschiffer.«
»Namen?«
»Weiß ich nicht. Ich frag nicht jeden.«
»War einer der jungen Männer dabei, der ein wenig schielte?«
»Der Bürstenbinder hatte die Krätze, sagt die Berta. Aber schäl war der nicht. Und der andere war eene lecker Jong, eene Leiendecker.«
»Kein Schreiberling darunter?«
»Denen sind wir nicht fein genug.«
»Hat Euch der Patron gesagt, wo er gewesen ist, bevor er zu Euch kam?«
Wynfrida schüttelte den Kopf, aber Gesa schien sich an irgendwas zu erinnern. Ihre stumpfen Augen rollten von links nach rechts, und dann blickte sie an die Decke.
»Hätt singe Päd verkauft«, stieß sie schließlich hervor.
»Wann und wo?«
»Weiß ich nicht.«
John hob die Schultern. Mehr war aus den Weibern wohl nicht herauszubekommen.
»Gut, lassen wir es
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