Mit falschem Stolz
Achtung, und er vermutete, dass sie weit schärfere Formen der Zurechtweisung beherrschte als ihr blitzeschleudernder Gatte.
»Mit welchen Mitteln brachte sie den Schmied zum Geständnis der Freveltat?«
»Sie erzeugte tiefste Schuldgefühle in dem armen Mann.«
»Ja«, murmelte Marian, »darin ist sie Meisterin.«
»Und was gestand der tapfere Adler?«
»Dass er jenen Jüngling im Hurenhaus zur Eselin gesehen hatte.«
»Ei wei!«
»Und er beschwor uns bei der Liebe Gottes und mit dem Versprechen, eine fette Wildsau vorbeizubringen, diesen Umstand vor Frau Franziska zu verschweigen.«
»Was, youngman , eine unselige Forderung war, denn damit hat er sich auf Gedeih und Verderb in Lady Almuts Hände begeben.«
»Oh – ja, da habt Ihr recht, Master John.« Frieder feixte.
»Nun gut, damit haben wir eine weitere Frage an die geschäftstüchtige Eselsherrin.«
John beobachtete Alyss, die aber keine Bemerkung zu seiner überwältigenden Männlichkeit machte, sondern ein Stück Brot zerrupfte. Er hätte gerne seine Hand auf ihre unruhigen Finger gelegt, aber ein Instinkt mahnte ihn, vorsichtig mit ihr zu sein. Darum fragte er die beiden jungen Männer weiter aus.
»Und anschließend – habt ihr die Mützenbäckerin gefunden?«
Das Hauswesen kicherte.
»Mutzen, Master John, ist Schmalzgebackenes. Man trägt es nicht auf dem Kopf, sondern man isst es«, erklärte Lauryn lächelnd.
»Es ist schon eine schwierige Sprache, die ihr hier sprecht.«
»Zuweilen, Master John. Aber auch die Eure legt Fallstricke aus«, meinte Tilo. »Bei Euch schenkt man Freunden ein gift , hier verabreicht man es seinen Feinden.«
»Und während Ihr einen fart fahren lasst, fahren wir bei einer Fahrt irgendwohin«, ergänzte Frieder grinsend.
»Genug, youngman . Was könnt ihr über die Muuutzenbäckerin sagen?«
»Dass sie ein hübsches Töchterlein hat, drall und rund vom Schmalzgebackenen.«
»Frieder!«
Lauryn sandte ihm einen zornigen Blick.
»Ja, ja, schon gut. Aber sie bewunderte meine überwältigende Männ…«
»Frieder!!!«
John ließ seinen Blick über den jungen Mann schweifen, der so vergnügt seine Geschichte zu spinnen versuchte. Er war tatsächlich von einem Jungen zum Mann geworden, und er war trotz seines vorlauten Mundwerks ein rechtschaffener Geselle. Allerdings beschlichen John die Bedenken, dass er selbst ihm kein gutes Vorbild gewesen war. Etwas mehr Strenge und Zucht mochte dem Jüngling seine Grenzen weisen und sein Benehmen schleifen.
Er wunderte sich, dass er plötzlich eine solche Verantwortung spürte.
»Frieder, halt die Klappe«, sagte Tilo. »Wir haben diese Mutzenbäckerin Wenke am Sonntag nicht angetroffen, darum haben wir es am Montag, als Ihr auf das Gerichtsurteil gewartet habt, noch einmal versucht. Da fanden wir sie in ihrer Küche. Diese Wenke ist ein Weib von gut vierzig Jahren, rund und glänzend, aber von freundlichem Gemüt. Ihre Mutter Momke hat sie vor zehn Jahren zu Grabe getragen, ihren Vater schon fünf Jahre zuvor. Sie sagte aber, sie kenne Frau Alyss nicht. Und darum haben wir uns gedacht, dass vielleicht Gislindis diejenige war, die Euch diese komische Nachricht hat übermitteln lassen.«
»Klug, Tilo!«, sagte Marian. »Ziemlich klug. Und Gislindis kannte sie natürlich.«
»Sischer dat!«, konnte Frieder sich nicht zurückhalten. »Und auch die Mutter von ihr, die Ronya. Und damit kamen wir, über zwei, drei Mutzen hinweg, sehr viel weiter.«
Tilo übernahm wieder die Berichterstattung. Knapper und ohne große Ausschmückungen berichtete er, dass Wenke zwar die eheliche Tochter der Momke war, diese aber zuvor einen Bastard in die Welt gesetzt hatte. Endres, ein hellblonder Knabe, der, als er eben sieben Jahre alt gewesen war, von einem vornehmen Herrn fortgeholt worden war. Danach hatte er seine Mutter nur noch selten aufgesucht und später immer rumgetönt, er sei etwas Besseres als seine fette Mutter.
»Ein liebevoller Sohn voll Herzensanmut«, kommentierte Marian diesen Bericht. »Wusste Wenke etwas darüber, wer sein wohledler Vater ist?«
»Nicht direkt, Herr Marian. Aber Momke war, bevor sie Mutzenbäckerin wurde, Köchin im Hause des Herrn Overstoltz vom Vogelsang.«
»Mit dem sie nicht ehelich verbunden war«, fügte Frieder hinzu.
»Woraus wir den Schluss ziehen mögen, dass der Schöffe Endres Overstoltz von unehelicher Geburt und damit nicht für das Amt des Schöffen berechtigt ist. So ist es doch auch hierzulande?«, fragte John.
»So ist es. Aber
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