Mit falschem Stolz
für heute«, sagte er.
»Geht Ihr zum Turm, wohledle Herren?«
Die Hurenwirtin war nun doch sehr beflissen.
»Nein. Nur wenn wir herausfinden, dass Ihr etwas verschwiegen oder die Unwahrheit gesagt habt.«
John stand auf, und Marian folgte ihm. Grußlos traten sie auf die Gasse.
»Bei diesen Weibern erstirbt vermutlich selbst deine überwältigende Männlichkeit?«
»Ich sehne mich nach einem Zuber mit heißem Wasser.«
»Pitter!«
»Du sagst es.«
Bademeister Pitter hatte Marian ganz offensichtlich ver ziehen und begrüßte ihn herzlich wie eh und je. John ver zog sich in die Schwitzkammer, während Marian sich die Haare waschen ließ. Es waren nur drei weitere ruhige Männer in der Kammer, die von dem großen Badeofen erhitzt wurde. Dann und wann goss einer von ihnen Wasser auf die heißen Steine der Feuerstelle und erzeugte mächtige Dampfwolken. Der Schweiß rann John über den Körper, und allmählich sank er in ein wohltuendes Dösen. Es waren aufreibende Tage gewesen, und auch er war nicht frei von Angst geblieben. Im Frühjahr war er aufgebrochen, hatte Frieder mit nach England genommen, damit er dort bei einem alten Falkner die Kunst des Abrichtens lernte. Er hatte seine Tuche bei den Webern geordert und sein Haus aufgesucht. Er hatte einige wenige Worte mit seinem Weib gewechselt und wieder einmal vergeblich versucht, bei seinem Vater vorzusprechen. Doch es hatte ihn zurück nach Köln gezogen.
Seit er Alyss vom Spiegel das erste Mal gesehen hatte – im Kontor, mit strenger Miene sein Geschenk, den wei ßen Gerfalken, zurückweisend – hatte sie seine Auf merksamkeit erregt. Sie war anders als die Frauen, die er kannte. Keine vornehme Adelstochter, keine fromme Gattin, keine gesetzte Matrone und schon gar keine leichte Dirne. Doch anfangs hatte er sie für ein nüchternes, wenig herzliches Weib gehalten, bis er bemerkt hatte, dass sich hinter ihrem gestrengen Gebaren ein seltsam feiner Sinn für Humor verbarg und dass ihre Antworten auf seine Neckereien voller Witz und Tücke waren. Es hatte ihn erst erheitert, dann entzückt und schließlich mit sehnsüchtiger Freude erfüllt. Die Rose hatte Dornen – doch ihr Duft war Ambrosia, ihre Blätter wie Seide aus dem Morgenland. Ihr Anblick, den weißen Falken auf der Hand, stolz und mutig, weckte seine Bewunderung.
Ihre Schönheit sein Begehren.
Ihre barsche Fürsorge und ihr seltenes Lächeln hatten sein Herz berührt. Nun lebte sie darin. Und allen Hindernissen zum Trotz hoffte er.
Und weil er hoffte, hatte er Angst gehabt.
Die Schöffen hatten Sir Fredegars Supplikation anerkannt, doch John vermutete, dass Lord Ivo sie über den Rat massiv unter Druck gesetzt hatte. Die Verhandlung war schnell vorüber gewesen, eine Formalie nur. Dennoch, dieser Overstoltz hatte vor Wut gekocht. Zumal man es ihm auch noch verwehrte, den sprachbehinderten Mats peinlich zu verhören.
»Ihr seid alle befangen und bestochen worden«, hatte er gebrüllt und geschworen, er wolle den wahren Schuldigen finden.
Das wäre ja soweit erfreulich gewesen, wenn dieser Idiot auch nur die geringste Ahnung gehabt hätte, wie er den Mörder finden konnte. Und ein zorniger Idiot war gefährlich. Sein Secretarius hatte sich ebenfalls im Gerichtssaal herumgedrückt und sich bemüht, möglichst unscheinbar zu wirken. Aber John hatte sich sein Gesicht eingeprägt.
Wieder goss jemand Wasser auf die Steine, und der heiße Dampf benahm ihm fast den Atem. Er stand auf und verließ den Schwitzraum. In dem hellen Saal, in dem die Badezuber standen, hielt er Ausschau nach Marian. Er entdeckte ihn bis zu den Schultern in eine Wanne getaucht, ganz alleine, doch mit einem Brett mit Krug, Becher und einem Korb Pasteten. Seine Haare ringelten sich feucht um seinen Hals, und mit einem verschmitzten Lächeln wies er einen jungen Mann ab, der sich davon offensichtlich über sein Geschlecht hatte täuschen lassen.
»Na, Schwester Marianne? Auf Männerfang?«
»Wenn ich ein hübsches Exemplar sehe, sag ich nicht nein. Steig ein, John, ich will dir Freude bereiten.«
»Wag es!«
»Mit einem Becher kühlen Wein. Du siehst verschwitzt aus.«
Dankbar nahm John den beschlagenen Becher entgegen und streckte, soweit es in dem Zuber ging, seine Beine aus.
»Abgedampft?«
»Und erholt. Eine gute Sache, das Schwitzbad. Es klärt den Geist.«
»Ebenso wie eine Kopfmassage. Susi hat mir zwar fast die Kopfhaut abgewalkt, aber meinem Hirn hat es gut getan. Lass uns die eine oder andere conclusio
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