Mit Familienanschluß
gegeben.
Fernsehen bildet …
Zwei Tage später rief Eva Aurich an. Am Vormittag. Dorothea war natürlich allein, die Familie in der Schule. Deshalb war Eva Dorothea einen Augenblick lang sympathisch, denn sie hätte ja auch abends anrufen können, wenn Hermann zu Hause war. Aber dann sagte sie sich, daß diese Eva ja gar nicht wußte, daß Hermann Studienrat war. In der Anzeige hatte nur gestanden ›Akademiker‹, und das ist ein weiter Begriff, vom Archäologen bis zum Zytostatiker.
So gesehen war elf Uhr vormittags absolut eine Zeit, wo man einen Mann zu Hause erreichen konnte. Bremsen wir also die Sympathie!
»Ja bitte …«, sagte Dorothea deshalb zurückhaltend.
»Ich bin Eva Aurich«, antwortete die forsche, jugendliche, verdammt angenehme Stimme.
»Das sagten Sie bereits.«
»Sie haben mich zum Sonntagskaffee eingeladen …«
»Mein Mann …«
»Ich komme gern.«
»Das freut uns.«
»Also dann – bis Sonntag.«
»Bis Sonntag, ja.«
Das Gespräch war beendet. Ein durchaus nicht geistreiches Gespräch, aber nützlich, fand Dorothea. Sie hatte eine gewisse Distanz spüren lassen, die das ›mit Familienanschluß‹ durchaus nicht zu beeinträchtigen brauchte. Familienanschluß ist eine Form des Zusammenlebens, es hat mit Vertrautheit nicht unbedingt zu tun.
Hermann Wolters war etwas betroffen, als Dorothea bei seiner Rückkehr aus der Schule – er hatte an diesem Tag nur vier Stunden geben müssen – sagte: »Eva hat angerufen.«
Daß er nicht fragte, welche Eva, sondern sofort wußte, wer gemeint war, stellte Dorothea mit schwerem Herzen fest.
»So …«, antwortete er bloß. »Was wollte sie denn?«
»Zusagen.«
»Das ist nett. Was hat sie sonst gesagt?«
»Ihren Namen.«
»Sonst nichts?«
»Nein. Was sollte sie denn sonst noch sagen? Sie kommt am Sonntag, so etwas ist in zehn Sekunden ausgesprochen.« Dorothea trug in einer Terrine die Linsensuppe auf, die es an diesem Mittag gab. Hermann aß meist, bevor die Kinder aus der Schule kamen. Er wollte in Ruhe essen, weil das der Verdauung förderlich war. Die ganze Familie am Tisch – da gab es immer Streitigkeiten. Ein unruhiges Essen aber schlägt sich auf die Magenwände nieder.
»Oder«, fuhr Dorothea fort, »sollte ich Eva unterhalten?«
»Was heißt hier unterhalten?«
»Sie hat sich nicht einmal erkundigt, wer wir sind. Ob du Arzt oder Geologe bist …«
»Das spricht für ihre Unbefangenheit. Die Person ist uninteressant für sie, nur die Aufgabe zählt.«
»Nach Manfred hat sie überhaupt nicht gefragt. Kein Wort über den Jungen.«
»Den wird sie noch früh genug kennenlernen!« Wolters schöpfte sich den Teller voll Linsensuppe. Es gab eine Knackwurst dazu, die er sorgfältig in kleine Scheiben schnitt. »Wirst du einen Kuchen backen, Hasi?«
»Sie soll sich bei uns vorstellen, aber nicht 400 Gramm zunehmen.«
»Wir haben sie zum Kaffee eingeladen. Zu einem Sonntagskaffee in einer deutschen Familie gehört Kuchen. In England würde man Kekse reichen, in Frankreich …«
»Ich kann einen Stachelbeerkuchen holen.«
»Sehr gut. Stachelbeeren sind erfrischend.« Mit gutem Appetit aß Wolters seine Linsensuppe. Er hatte immer Appetit, außerdem kochte Dorothea vorzüglich. »Ob es möglich ist, daß am Sonntagnachmittag meine Familie vollzählig am Tisch sitzt?«
»Das wage ich nicht vorauszusagen.«
»Wenn wir der jungen Dame Familienanschluß anbieten, sollte die Familie auch versammelt sein.«
»Das könntest du ja mit deinen fast erwachsenen Kindern besprechen.« Dorothea aß kaum etwas, aber sie tat so, als ob. Sie tunkte den Löffel in die Suppe und führte ihn fast leer zum Mund. Wolters nahm das gar nicht wahr.
»Ich spreche nicht über Selbstverständlichkeiten! Wir sind am Sonntagnachmittag alle hier versammelt – oder es kracht!« Er blickte in die Terrine und dann Dorothea an. »Nur ein Würstchen?«
»Für jeden eins. Fünf Würstchen kosten heute …«
»Ich habe die Ferienkasse noch mal durchgerechnet.« Wolters legte den Löffel in den Teller. »Wenn wir alle normale Ansprüche stellen, können wir es uns leisten, in Diano Marina einmal wöchentlich auswärts zu essen. Kollege Dr. Simpfert, ein guter Rivierakenner, hat mir drei Fischlokale empfohlen, wo man schon für 9,43 deutscher Währung vorzüglich und reichlich essen kann. Wir werden das wahrnehmen. Ein Liter Landwein kostet DM 2,19. Das ist doch phänomenal!«
»Es kann aber sein, daß Fräulein Eva keinen frittierten Tintenfisch mag«,
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